Servicentgelte können die Preise bei Kreuzfahrten in die Höhe treiben. Ein Streitfall landet nun vor dem Bundesgerichtshof.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Nur 599 Euro für eine Woche Kreuzfahrt im Mittelmeer, inklusive Vollpension und Unterhaltung an Bord? Da greifen Schnäppchenjäger gerne zu. Doch manches Lockangebot kann deutlich teurer werden. Denn die An- und Abreise, Landausflüge und Getränke beim Essen sind oft nicht enthalten. Zudem kassierten viele Reedereien von Schiffsreisenden jahrelang „Service-Entgelte“, die ebenfalls im günstigen Werbepreis für den Urlaub auf See fehlten – und deshalb regelmäßig Ärger machten. Denn die oft üppigen Zwangstrinkgelder können die Reisekasse erheblich belasten.

 

Mehrere deutsche Gerichte haben diese Machenschaften bereits für unzulässig erklärt. So wurde dem Kreuzfahrtanbieter MSC schon zweimal untersagt, mit Reisepreisen zu werben, in denen das „Service-Entgelt“ nicht enthalten ist. Wie bei zahlreichen anderen Anbietern stand bisher hinter dem groß gedruckten Werbepreis ein kleines Sternchen, meist nur in winzigen Fußnoten fand sich der Hinweis „zzgl. Service-Entgelt“. Das Landgericht und in der nächsten Instanz auch das Oberlandesgericht München sahen darin einen Verstoß gegen die deutsche Preisangabenverordnung – und gaben dem Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin recht, der gegen MSC eine Unterlassungsklage angestrengt hatte (OLG München 6 U 3188/13 sowie LG München 1 HKO 2655/13).

Die Reederei strebt jedoch ein Grundsatzurteil an. Nach Auffassung von MSC ist nicht deutsches Recht, sondern die europäische UGP-Richtlinie entscheidend. Zur Klärung dieses Juristenstreits wurde die Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen. Mit einem Urteil rechnet das Unternehmen frühestens im nächsten Jahr. Bis dahin bleibt die Lage auch für Verbraucher unübersichtlich. „Reedereien, die bisher nicht abgemahnt oder verklagt wurden, können nach wie vor mit einem Preis ohne Service-Entgelt werben und sich dadurch Vorteile verschaffen“, sagt eine MSC-Sprecherin. Das sei Wettbewerbsverzerrung. Man wolle mit der Revision letztlich eine einheitliche Regelung und Rechtssicherheit für Anbieter und Kunden erreichen.

Zwangstrinkgeld soll zur gerechten Verteilung führen

In der Tat erschweren die intransparenten Zusatzkosten den Vergleich für die Verbraucher. Je nach Anbieter, Reisedauer und Zielgebiet gibt es ganz unterschiedliche Zuschläge. Das Internetportal Cruisetricks.de hat ähnliche „Servicepauschalen“ wie bei MSC auch bei den Konkurrenten Costa, Royal Caribbean, Cunard und Norwegian Cruise Line festgestellt. Transparenter und besser machten das Aida Cruises und TUI Cruises, hier seien die Trinkgelder für die Crew schon im angegebenen Reisepreis eingerechnet.

Auch das Kammergericht Berlin entschied voriges Jahr, dass Zwangstrinkgelder bei einer Kreuzfahrt bereits im Endpreis enthalten sein müssen und nicht nachträglich aufgeschlagen und einbehalten werden dürfen (Az.: 5 W 11/13). Zwang oder nicht – das ist dabei die entscheidende Frage. Denn natürlich kann jeder Reisende dem Zimmermädchen oder dem Ober freiwillig Trinkgelder geben, wenn er mit der Leistung zufrieden ist. Auf Kreuzfahrten wird allerdings ein fester Betrag pro Tag oft automatisch dem Bordkonto des Passagiers belastet und am Ende von der Reederei kassiert. Das soll gewährleisten, dass die Trinkgelder gerecht unter der Besatzung verteilt werden und nicht nur Mitarbeiter, die direkt mit den Passagieren zu tun haben, die Extras einstecken.

Das klingt gut, hat aber einige Haken. Denn wenn sich der Kunde gegen diese Zwangsabgabe nicht wehren kann, was bisher in der Praxis oft schwierig gewesen ist, zahlt er faktisch einen höheren Preis für die Kreuzfahrt als in der Werbung angegeben. Das Kammergericht Berlin hob deshalb ein Urteil des Landgerichts auf, das die entsprechende Beschwerde eines Reisenden zuvor abgewiesen hatte.

Angabe des Service-Entgelts soll Transparenz schaffen

Im konkreten Fall sollte der siebentägige Seeurlaub „555 Euro p. P. zzgl. Service Entgelt*“ kosten. Das Zusatzentgelt wurde in kleiner Schrift mit 7 Euro pro „beanstandungsfrei an Bord verbrachter Nacht“ beziffert. Unter dem Strich koste die Kreuzfahrt daher 604 Euro, entschied das Gericht. Die Werbung mit dem niedrigeren Preis sei unzulässig und unlauterer Wettbewerb. In der Branche und in Reiseforen im Internet sind die Zwangstrinkgelder und „Service-Entgelte“ an Bord seit Langem ein heiß diskutiertes Thema. Befürworter meinen, dass die hart arbeitende und meist dürftig bezahlte Besatzung der Luxusdampfer ohne die Extras noch weniger verdienen würde. Kritiker halten dagegen, dass der Reisende für den vorab gezahlten Komplettpreis guten Service auch ohne Zwangstrinkgeld erwarten kann und die Reeder ihre Mitarbeiter lieber anständig bezahlen sollten. Zudem sei oft undurchsichtig, ob und wie die „obligatorischen“ Trinkgelder an die Mannschaft verteilt würden.

In der alltäglichen Praxis hat auch MSC eingelenkt und weist seit einigen Monaten nur noch Kreuzfahrtpreise aus, die das „Service-Entgelt“ bereits ausdrücklich enthalten. Andere Anbieter haben nachgezogen, denn ähnliche Unterlassungsklagen könnten auch ihnen drohen.

Das schafft nun mehr Transparenz auf dem Markt. In aktuellen Angeboten heißt es zum Beispiel bei einer Costa-Reise in der Karibik, dass im Preis von 1399 Euro an aufwärts schon 115 US-Dollar Service-Entgelt enthalten seien, bei einer Norwegian-Reise im Mittelmeer ab 1199 Euro sind es 144 US-Dollar.

MSC gibt seit April nach eigener Auskunft nur noch unverbindliche Trinkgeldempfehlungen an seine Bordgäste, in der Regel ab fünf Euro aufwärts pro Nacht. Zwar werde der Betrag weiter automatisch dem Bordkonto belastet, sagt die MSC-Sprecherin, doch der Reisende werde nun klar darauf hingewiesen, dass diese Buchung angepasst oder storniert werden könne. Bisher war das meist nur mühsam, mit Begründung und nur für den jeweiligen Tag möglich.