1. Szenario: Es kommt zu einer Verhandlungslösung
Sowohl der deutsche UN-Diplomat Volker Perthes als auch die Regierungen mehrere Nachbarstaaten hoffen noch immer auf eine Verhandlungslösung. Beide Konfliktparteien seien zu Gesprächen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba bereit, meldete die dortige Regierung dieser Tage: Ab Donnerstag sollten die Waffen mindestens zwei Wochen lang schweigen. Ein Waffenstillstand wurde allerdings schon sechsmal zuvor vereinbart – auf die Gefechte wirkte sich das nicht aus. Auch jetzt wurde der Waffenstillstand gebrochen.
Selbst wenn es die beiden Generäle dieses Mal ernst meinen sollten, stellt sich die Frage, was am Ende der Gespräche stehen könnte. Aus politischen und moralischen Gründen könnte das nur die Abdankung der beiden Unheilsbringer sein. Für die Mehrheit der sudanesischen Bevölkerung ist keine andere Lösung denkbar: Sie hat von uniformierten Machthabern endgültig genug. Dass sich die beiden Kriegstreiber zum Rücktritt bereit erklären, ist allerdings so gut wie ausgeschlossen. Zu befürchten ist stattdessen, dass es zu einem weiteren faulen Kompromiss zwischen den Generälen kommt – womit das Problem höchstens vertagt wäre.
2. Szenario: Einer der beiden Seiten gelingt ein militärischer Sieg
Der Verlierer wäre auch in diesem Fall Sudans Bevölkerung. Von beiden Generälen ist die Errichtung eines autokratischen und repressiven Regimes zu erwarten: Dass sie nicht bereit sind, die Macht ans Volk abzugeben, haben sie in den vergangenen vier Jahren eins ums andere Mal deutlich gemacht.
Gewinnt Armeechef al-Burhan, wird er dem Beispiel seines ägyptischen Amtskollegen Abdel Fattah el-Sisi folgen, der derzeit 65 000 Regimegegner eingesperrt hält. Mancher ausländischen Regierung mag diese Lösung als die beste erscheinen, weil dadurch Stabilität gewährleistet sei: Doch auch bei einem militärischen Triumph der Regierungstruppen in Khartum wird Milizenchef Hemeti nicht einfach die Waffen streichen. Er werde sich mit seinen Kämpfern in seine Heimat Darfur zurückziehen, wird vermutet: Dann geht der Krieg weiter, nur mit veränderten Fronten. Niemand kann – oder mag – sich ausmalen, was ein Sieg Hemetis bedeuten würde. Der ehemalige Kamelzüchter gilt als unberechenbar und verschlagen: Derzeit gibt er sich als Freund der Demokratie aus, doch wenn sie seiner Machtgier im Weg stehen, lässt er seine Kämpfer weit über 100 Demonstranten massakrieren oder putscht eine mühsam ausgehandelte Regierung aus dem Amt. Unter Fachleuten gilt ein Sieg al-Burhans als wahrscheinlicher: Auch wenn Hemetis bewegliche Milizionäre im Khartumer Häuserkampf Vorteile haben, wird der Armee mit ihren schweren Waffen und besserer Organisation der längere Atem zugesprochen.
3. Szenario: Die Mogadischu-Option
Was Kennerinnen und Kenner des Landes am meisten fürchten und am wahrscheinlichsten halten, ist ein lang dauernder und militärisch unentschiedener Konflikt, der die Zerstörung des Sudans zu einer „Staatsruine“ nach dem Beispiel Syriens, Libyens oder Somalias zur Folge haben wird. Alle negativen Bedingungen sind da: ein Bürgerkrieg, der Kollaps staatlicher Strukturen, die Flucht des Mittelstands und eine hungernde Bevölkerung. Ein weiteres implodierendes Staatswesen hätte für die gesamte Region katastrophale Folgen: Flüchtlingsströme, verwirrende ausländische Einflussnahme, ein Rekrutierungsbecken für islamische Extremisten. Einmal in diesen Strudel geraten gibt es, wie die Beispiele zeigen, über Jahrzehnte hinweg für einen gescheiterten Staat keine Hoffnung mehr.
4. Szenario: Die utopische Lösung
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedet eine Resolution, mit der die beiden Generäle zum Abtritt auffordert werden und ihnen – wie einst dem ugandischen Diktator Idi Amin – Exil in Saudi-Arabien eingeräumt wird. Alle Waffenimporte in den Sudan werden verboten, die Treibstofflieferungen für Hemitis Miliz aus Libyen gestoppt, der Hafen in Port Sudan blockiert, nur humanitäre Hilfe wird noch durchgelassen. Al-Burhan und Hemiti wird zum Abtritt eine Frist gesetzt: Lassen sie diese verstreichen, wird ihr Fall vor den Gerichtshof in Den Haag gebracht. Mit den Generälen führt die internationale Gemeinschaft keine Verhandlungen mehr: Ihr Ansprechpartner ist das Bündnis der sudanesischen Zivilgesellschaft, die Forces of Freedom and Change.
Dass diese Lösung unrealistisch erscheint, wirft ein dunkles Licht auf die Funktionsfähigkeit des UN-Sicherheitsrats als internationale Ordnungsinstanz. Die Welt hat sich damit abgefunden, selbst gegen die gravierendsten Fälle von Machtanmaßung und Menschenrechtsverbrechen nichts ausrichten zu können – auch wenn davon ein ganzer Subkontinent gefährdet wird. Würden sich außer den westlichen auch afrikanische und arabische Nationen für eine derartige Resolution im Sicherheitsrat starkmachen: China und Russland würde es zumindest schwerfallen, ihr Veto einzulegen.