Der Sicherheitsexperte Nico Lange sagt, dass die vom Westen gelieferten Marschflugkörper im Süden des Landes in diesem Krieg eine entscheidende Rolle spielen können.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Herr Lange, der Westen versorgt die Ukraine mit sehr vielen Waffen. Bislang liefert aber nur Großbritannien Raketensysteme mit größerer Reichweite. Warum?

 

Die Briten haben schon mehrfach durch ihr Vorangehen Dinge angestoßen. Storm-Shadow-Marschflugkörper sollte jetzt dazu führen, dass die Franzosen Scalp-EG und die Deutschen Taurus an die Ukraine liefern. Ich bin zuversichtlich, dass das so kommt.

Teilen Sie die Befürchtung, dass die Ukraine solche Marschflugkörper auch einsetzen würde, um militärische Ziele in Russland zu beschießen?

Nein. Die Ukraine hält sich an alle Abmachungen, die sie mit Partnern getroffen hat. Auch mit Storm Shadow beschießt die Ukraine keine Ziele in Russland und würde das auch mit Taurus nicht tun.

Dürfte die Ukraine mit diesen Raketen rein rechtlich auch direkt Ziele in Russland angreifen?

Völkerrechtlich ist unstrittig, dass die Ukraine das Recht hat, militärische Ziele auf dem Gebiet der Russischen Föderation anzugreifen. Aber die Ukraine respektiert die Bitte von Partnern, das nicht mit ihren Waffen zu tun.

Der Kreml warnt, dass mit der Lieferung solcher Raketen eine rote Linie überschritten würde. Besteht dadurch tatsächlich die Gefahr einer Eskalation des Krieges?

Nein. Von den inflationären Drohungen und vermeintlichen roten Linien des Kreml sollte sich niemand mehr von etwas abhalten lassen. Russland hat auch gar keine Instrumente, um zu eskalieren. Was wir derzeit auf dem Schlachtfeld sehen, ist das, was für Russland möglich ist.

Weshalb sind solche Marschflugkörper wichtig in diesem Krieg?

Waffen mit höheren Reichweiten erlauben der Ukraine, ihre Stärken auszuspielen. Bei Kiew und bei Cherson hat die Ukraine mit hoher Präzision systematisch Gefechtsstände, Truppenkonzentrationen, Kommunikationseinrichtungen und Logistik der Russen ausgeschaltet – und die Russen mussten sich letztlich von dort zurückziehen. Mittlerweile haben die Russen sich den Reichweiten aber angepasst und halten im Süden der Ukraine diese Einrichtungen außerhalb der Reichweiten von Artillerie und Himars-Raketenwerfern. Mit Storm Shadow und Taurus könnte die Ukraine diese Ziele bekämpfen und damit Operationen zur Befreiung der südlichen Gebiete vorbereiten. Insbesondere für die Südukraine könnte das schon ein Gamechanger sein. Dazu müsste die Ukraine aber ausreichende Stückzahlen erhalten, zu denen auch die deutschen Taurus beitragen.