Im Fall von Gasmangel könnten die Staaten diesen Industriezweig bevorzugt versorgen. Den Bauernverbänden ist das zu wenig, den Umweltschützern zu viel.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

In Europa steigen die Lebensmittelpreise. Das hängt auch damit zusammen, dass die Landwirte immer tiefer in die Tasche greifen müssen, um sich auf dem Markt mit Dünger zu versorgen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben sich die Preise mehr als verdoppelt. Nun hat die EU-Kommission reagiert. Da zur Herstellung von künstlichem Dünger sehr viel Gas verbraucht wird, sollen die Produzenten im Fall eines Gasmangelns bevorzugt versorgt werden. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, Landwirten und Herstellern gezielt mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen.

 

Heftiger Streit über die Hilfen der EU

Diese rechtlich nicht bindende Empfehlung der EU-Kommission löste völlig konträre Reaktionen aus. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, bezeichnete es als unglaublich, dass Düngerhersteller vom Staat unterstützt werden sollen. Düngemittelunternehmen seien „Krisengewinner und haben ihre Gewinne teils verdoppelt“ empört sich Häusling. Er fordert, den Einsatz synthetischer Düngemittel hingegen weiter zu reduzieren und mit dem Geld vielmehr eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.

Dem widerspricht der Deutsche Bauernverband und kritisiert die Vorschläge als völlig unzureichend. „Anstatt die Zölle auf Düngemittel bei Importen in die EU abzuschaffen, beschränkt sich die EU-Kommission nur auf warme Worte“, erklärte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Und er warnt: „Ohne ausreichend Stickstoff werden im nächsten Jahr die Ernteerträge deutlich sinken.“

Russland fällt als Düngerlieferant aus

Die stark gestiegenen Preise für Kunstdünger sind aber nicht nur auf die zuletzt explodierenden Energiekosten zurückzuführen. Die Ukraine, Russland und Belarus gehören nicht nur zu den wichtigen Nahrungsmittelproduzenten, sondern auch zu den führenden Düngerlieferanten auf der Welt. Durch den Krieg ist dieser Markt praktisch ersatzlos zusammengebrochen.

Frans Timmermans, für den Klimaschutz verantwortlicher EU-Kommissar, betonte deshalb auch, dass die Landwirte auch die Chance nutzen sollten, verstärkt auf Alternativen zu mineralischen Düngemitteln umzusetzen. „Der nachhaltige Weg in die Zukunft besteht darin, den Schwerpunkt auf Effizienz und Alternativen zu legen“, erklärte er in Brüssel. Dies könne gelingen, indem etwa stärker auf Fruchtfolgen, Bio-Landwirtschaft und organischen Dünger wie Gülle gesetzt werde. Dies reduziere die Abhängigkeit der EU von Gas und zugleich den CO2-Fußabdruck der Branche.

Die Ernährungssicherheit steht auf dem Spiel

Dazu bemerkte Norbert Lins, Vorsitzender des Landwirtschaft-Ausschusses im Europaparlament, dass es ja durchaus „positiv ist, dass die Kommission die verstärkte Nutzung von organischem Dünger hervorhebt“. Dann schiebt der CDU-Politiker allerdings hinterher: „Nur brauchen wir hier nicht nur eine Langzeitvision, sondern konkrete und kurzfristig machbare Vorschläge.“ Als Signal zur Sicherstellung der weltweiten Ernährungssicherheit tauge die Mitteilung der EU-Kommission „deshalb leider nur bedingt“.