Die Bundesregierung und die CDU sind gut beraten, jetzt zu entscheiden, welche Waffen der Ukraine geliefert werden und sofort zu beginnen, die ukrainische Soldaten daran auszubilden.

Was für eine Diskussion in Politik und Medien: Als hinge das Schicksal des Abendlandes davon ab, was gerade auf jenen 700 Quadratkilometern Schlachtfeld im Osten der Ukraine, dem westlichen Rand des Donezbeckens, dem Donbass, geschieht: 81 000 Russen greifen hier mit einer Überlegenheit von 4 zu 1 an, bei der Artillerie, also weitreichenden Geschützen sogar von 140 zu 1. Auf eine Fläche kleiner als Hamburg schlagen 24 Stunden, sieben Tage die Woche russische Salven rund um die Stadt Sjewjerodonesk ein. Das Ziel der Russen: Kontrollieren sie diese 0,12 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes, kontrollieren sie den von russischen Separatisten dominierten Donbass.

 

Mit einem Antrag wollen jetzt CDU und CSU im Bundestag den Gefechten und Scharmützeln südlich von Sjewjerodonesk ein Ende bereiten: Die sowieso schon in den vergangenen drei Jahrzehnten heruntergewirtschaftete Bundeswehr soll im größtmöglichen Umfang Kriegsgerät abgeben, um es unverzüglich in die Ukraine zu liefern.

Als hätte die Union nicht von den 3035 Tagen, die dieser Krieg am heutigen Montag, seit der Besetzung der Krim 2014 dauert, 2849 Tage lang mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Richtlinien der deutschen Politik bestimmt – auch den Umgang mit der Ukraine und Russland. Als hätte sie in 16 Jahren Merkel die Bundeswehr nicht modernisieren, die Ukraine – wie es die USA, Kanada und Großbritannien taten – aufrüsten und ausbilden können.

Als hätte die CDU mit Roderich Kiesewetter keinen zum Generalstabsoffizier ausgebildeten Artilleristen, der seiner Fraktion erklären könnte, dass es militärisch keinen Sinn ergibt, das jetzige Schlachtfeld zu halten. Zumal es 35 Kilometer weiter westlich einen bereits für die Verteidigung vorbereiteten Raum mit einer Frontlänge von 35 Kilometern gibt: Fünf ukrainische Brigaden würden für den noch lange dauernden Krieg frei werden, darunter die als Eliteverband geltende 17. Panzerbrigade.

Bewusst das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer ausblendend, rein rational argumentiert: Was nutzt der Ukraine in diesen Tagen Sjewjerodonesk? Ohne Zweifel, der Ukraine fehlen die Waffen, um sich vor allem der erschlagenden russischen Überlegenheit bei der Artillerie zu stellen. Aber das darf nicht zu einem Aktionismus wie dem aktuellen CDU-Antrag führen: Von den Mitte Mai aus Norwegen, den USA und Kanada gelieferten Geschützen wurden im Vergleich zu den bisherigen ukrainischen Verlusten seit Februar deutlich mehr zerstört. Das zeigt: Die ukrainischen Soldaten sind nicht so gut ausgebildet, dass sie die neuen Waffen unter den Bedingungen eines Krieges sicher beherrschen und handhaben.

Darum sind Bundesregierung und Nato gut beraten, wenn sie sofort entscheiden, welche Waffensysteme der Westen der kriegsgeschundenen Ukraine bis zum Winter liefert. Wenn sie unverzüglich beginnen, ukrainische Soldaten an diesen Systemen so auszubilden, dass diese sie unter Kriegsbedingungen erfolgreich einsetzen können. Es wäre wichtig, dass Deutschland und die Nato die Ukraine beraten, ihr helfen, die Logistik und Instandsetzung für die künftigen Waffen aufzubauen und im Krieg zu betreiben.

Das sollte die CDU vorantreiben. Das wird sich zwar erst in vier, fünf Monaten auf dem Schlachtfeld auswirken. Verhindert jedoch, dass vom Westen gelieferte Rüstungsgüter nur für Zielübungen der russischen Invasoren herhalten. Und: Es wird der Ukraine – und so dem Westen – wirklich helfen, den Krieg zu gewinnen und Diktator Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Es ist mehr als Aktionismus und Populismus. Das Mindeste, was CDU und Bundesregierung liefern sollten.