80 Jahre nach dem Beginn der Schlacht um Charkiw sind um die Stadt in der Ostukraine wieder Armeen zum Angriff aufmarschiert. Zudem sind nach Informationen des US-Militärs am Hafeneingang des russischen Sewastopols Unterwassergehege für militärisch trainierte Delfine platziert worden.

Seit 80 Jahren spielt die ostukrainische Stadt Isjum eine zentrale Rolle für Panzerschlachten: Vier Armeen, 765 000 Mann, zog der sowjetische Marschall Semjon Timoschenko dort ab April 1942 zusammen, um am 12. Mai nach Nordwesten angreifend die deutsche 6. Armee und die Armeegruppe Kleist (246 000 Mann) im Raum Charkiw (Charkow) einzukesseln und zu vernichten. 300 000 Menschen starben. Fast auf den Tag sind heute an selber Stelle wieder russische Armeen zusammengezogen worden. Diesmal wollen sie aus der 48 000-Einwohner-Stadt nach Süden vorstoßen, um ukrainische Großverbände zu umfassen.

 

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Welche Truppen haben die Russen bei Isjum zusammengezogen?

Der Oberkommandierende der russischen Streitkräfte in der Ukraine, Armeegeneral Aleksandr Dvornikov, hat die nach verlustreichen Kämpfen bei Charkiw abgenutzte 1. Gardepanzerarmee reorganisiert, mit neuen Panzern ausgerüstet und dann im Raum westlich von Isjum aufgestellt. Die Armee prüft in diesen Tagen mit begrenzten Angriffen auf einzelne Dörfer die Stärke der ukrainischen Verteidigung. Die von den Kämpfen bei Kiew geschwächte 35. und 36. Armee sowie dem neu aufgestellten 68. Armeekorps werden aktuell südlich und östlich von Isjum versorgt und mit Panzer älterer Baureihen neu ausgerüstet. Sie halten ihre Stellungen. Insgesamt verfügt Dvornikov für eine neue Offensive in dieser Gegend etwa über 47 000 Soldaten.

Was beabsichtigen die Russen jetzt?

Aus operativer Sicht hat General Dvornikov, ein gelernter Panzergrenadier, zwei Möglichkeiten: Er kann südwestlich nach Dnipropetrowsk vorstoßen – in das ukrainische Finanz-, Stahl- und Technologiezentrum. Oder er stößt – als kleine Lösung – nach Süden in den Raum um die Kleinstadt Velyka Novosilka vor, um sich dort mit den Verbänden der 58. Armee zu vereinen. In beiden Fällen ist es seine Absicht, starke ukrainische Verbände, je nach Lösung zehn bis 15 Brigaden (etwa 38 000 Frauen und Männer) zu umschließen und zu vernichten. Mit dieser Schlacht würde Russland einen 100 bis 200 Kilometer breiten Puffer um den von russischen Separatisten beanspruchten Donbass schaffen. Das könnte aus russischer Sicht die Voraussetzung für Gespräche über einen Waffenstillstand sein. Oder aber Dvornikov legt damit die Grundlage, um den mächtigen Fluss Dnepr zu überwinden und dann die Zentralukraine weiter anzugreifen. Wahrscheinlich ist, dass die Offensive noch vor dem 9. Mai beginnt. In Russland ist der „Tag des Sieges“ über Nazideutschland ein offizieller Gedenktag.

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Wie ist die Lage rund um Mariupol?

Die ukrainische Hafenstadt ist nicht vollständig in der Hand der russischen Invasoren. Sie wird unverändert von vier Verbänden Marineinfanterie belagert, die durch Kampfpanzer und tschetschenische Kämpfer verstärkt wurden. Satellitenaufnahmen zeigen, dass das einst von 440 000 Menschen bewohnte Mariupol weitestgehend zerstört ist. Dabei weisen etwa 85 Prozent der Häuser schwere und schwerste Schäden auf. Dennoch kämpfen ukrainische Marineinfanteristen und als rechtsextrem geltende Angehörige des Asow-Verbandes erbittert weiter.

Was hat es mit den Explosionen in Russland auf sich?

Beweise dafür, dass für die Explosionen von und an Tanklagern, Eisenbahnstrecken und russischen Armeestützpunkten wie in Brjansk, Belgorod und Twer die Ukraine verantwortlich ist, gibt es gegenwärtig nicht. Jedoch ist es plausibel, dass ukrainische Spezialeinheiten inzwischen auch innerhalb von Russland operieren. Sie können entweder selbst Versorgungsstützpunkte und -linien durch Sprengstoffanschläge sabotieren. Oder aber sie leiten gezielt Luft-, Raketen- und Artillerieangriffe auf solche Ziele. Die Gefechtsaufstellung der russischen 6. Armee in der Region rund um die russische Großstadt Belgorod legt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Mix aller Einsatzverfahren ukrainischer Spezialkräfte handelt und Teil der russischen Armee, die sich dagegen wappnet.

Deuten die Vorgänge in Transnistrien darauf hin, dass jetzt auch Moldawien von russischen Truppen angegriffen wird?

Die Umstände der Sprengstoffanschläge beispielsweise auf transnistrische Kommunikationseinrichtungen in den vergangenen Tagen deuten darauf hin, dass sie von russischen Spezialeinheiten oder prorussischen Separatisten verübt worden sind. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sie der Auftakt einer weiteren russischen Offensive in der Region sind: In Transnistrien sind lediglich 500 bis 600 russische Soldaten stationiert, die von etwa 900 Einheimischen unterstützt werden. Nach den verlustreichen Kämpfe in der Ukraine sind für das russische Oberkommando derzeit schlicht keine Truppen verfügbar, um in das Land einzumarschieren.

Setzt die russische Marine Delfine für den Kampf im Schwarzen Meer ein?

Das unabhängige US-Marine-Institut (USNI) berichtet, am Hafeneingang des russischen Sewastopols seien Unterwassergehege für militärisch trainierte Delfine platziert worden. Die US-Marine setzte bereits während des Golfkrieges 2003 Delfine und Seehunde ein, um Seeminen aufzuspüren, Hafenanlagen und Schiffe gegen feindliche Taucher zu schützen. Diese sollen sie entdecken und stellen. Als Legende haben sich Berichte erwiesen, dass die USA die Tiere für Angriffsmissionen wie dem Anbringen von Sprengladungen dressiert haben. Eingesetzt werden die Tiere in den USA immer zusammen mit einem Menschen. Die Teams können innerhalb von 72 Stunden weltweit per Schiff oder Flugzeug verlegt werden. Vor diesem Hintergrund ist plausibel, dass Russland inzwischen Delfine militärisch trainiert und zur Abwehr ukrainischer Saboteure einsetzt.