Das Land hat eine 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland und überlegt nun, nach dem Überfall auf die Ukraine dem Verteidigungsbündnis beizutreten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Wladimir Putin mag ein guter Taktiker sein und kurzfristig Erfolge erzielen. Aber der Mann im Kreml ist offensichtlich ein miserabler politischer Stratege. Russlands Präsident, der sich von der Nato bedroht sieht, wollte immer verhindern, dass Finnland dem westlichen Verteidigungsbündnis beitritt.

 

Doch nun sorgt er mit dem Überfall auf die Ukraine selbst dafür, dass in Helsinki verstärkt darüber nachgedacht wird, sich um eine Mitgliedschaft zu bemühen. Auch der Zuspruch in der Bevölkerung ist in den vergangenen Tagen schlagartig gestiegen.

Die Finnen fühlen sich bedroht

„Natürlich wird nun verstärkt über einen Nato-Beitritt nachgedacht“, sagt Mirja Vehkaperä, Vorsitzende des Stadtrats von Oulu, „seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wissen die Menschen, dass die Bedrohung durch Russland sehr real ist.“ Sie unterstreicht aber, dass man sich in Finnland dennoch Zeit lassen und genau den nächsten Schritt überlegen werde.

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Oulu liegt knapp über 200 Kilometer von der russischen Grenze entfernt und die Bevölkerung dort ist die kleinen Provokationen durch russische Kampfjets gewöhnt, die sich dem finnischen Luftraum nähern. „Dass das aber in diesen Tagen auch passiert, gibt uns sehr zu denken“, räumt Mirja Vehkaperä ein, die in Marseille in diesen Tagen an einer EU-Konferenz teilnahm. Zu russischen Warnungen vor einem Nato-Beitritt Finnlands erklärte sie selbstbewusst, dass man das genau zur Kenntnis genommen habe, aber am Ende entscheide jedes Land selbst über seine Sicherheitspolitik.

Die Zustimmung zur Nato steigt

Fast 80 Prozent der Finnen betrachten den russischen Kurs einer Umfrage zufolge mittlerweile als Bedrohung für ihr eigenes Land, das auf gut 1300 Kilometern Länge an das Riesenreich grenzt - das ist länger als die russischen Grenzen zu den EU-Ländern Estland, Lettland, Litauen und Polen zusammen. Und auch die Unterstützung für den Beitritt Finnlands zur Nato ist rapide gestiegen. Jüngst sprach sich zum ersten Mal überhaupt eine Mehrheit von 53 Prozent für eine Mitgliedschaft aus. 28 Prozent waren dagegen, 19 Prozent unentschlossen.

Auch Niina Ratilainen bremst die Erwartungen auf einen schnellen Nato-Beitritt ihres Landes. „Die Menschen haben keine Angst, aber sie sind aufmerksam geworden“, sagt die Grünen-Politikerin aus Turku im Süden des Landes. Sie selbst sei immer gegen einen Nato-Beitritt gewesen, doch ihre ablehnende Haltung habe sie nun überdacht. „Das wird sicher eines des zentralen Themen im Wahlkampf für die Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr in Finnland sein“, erklärt Niina Ratilainen. Sie beobachtet einen Unterschied in der Reaktion zwischen den Generationen. „Meine Großmutter ist weit über 80 Jahre alt und sie hat wirklich Angst, weil sie als kleines Kind mit ihrer Familie schon einmal vor den russischen Truppen fliehen musste.“

Solidarität mit der Ukraine ist wichtig

Auch der finnische Außenminister Pekka Haavisto reagierte am Freitag sehr zurückhaltend auf die Frage eines möglichen Nato-Beitritts. Der stehe derzeit nicht zur Entscheidung. „Natürlich verändert sich die öffentliche Meinung in einer solchen Situation und wird vorteilhafter für eine Nato-Mitgliedschaft“, sagte er am Rande eines Treffens mit den Außenministern der Nato-Staaten in Brüssel. „Aber es ist jetzt nicht an der Zeit, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Jetzt ist es an der Zeit, sich solidarisch mit der Ukraine zeigen.“