Die Nato tut alles, um nicht in den Krieg mit der Ukraine hineingezogen zu werden, denn das könnte die Welt in Flammen setzen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Jens Stoltenberg kennt die Frage. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird sie dem Nato-Generalsekretär immer wieder gestellt: Wieso richtete die Nato keine Flugverbotszone ein? Das Bündnis dürfe auf keinen Fall Kriegspartei werden, antwortet der Norweger dann in den immer selben Worten. Ein solcher Schritt könnte die Welt in Flammen setzen. Das wird Stoltenberg auch am Mittwoch erklären, wenn die Außenminister des Verteidigungsbündnisses in Brüssel zusammenkommen. Besprochen werden die Planungen für eine verstärkte Abschreckung Russlands in Reaktion auf den Ukraine-Krieg und die Arbeiten an dem neuen strategischen Konzept der Nato. Grundlegende Änderung ist, dass Moskau in Zukunft nicht mehr als möglicher Partner der Nato betrachtet wird, sondern nun als potenzieller Feind in die Planung einbezogen wird.

 

Die Nato-Zurückhaltung ist keine Schwäche

Stoltenberg unterstreicht allerdings auch bei jeder Gelegenheit, dass diese Zurückhaltung der Nato im Krieg in der Ukraine nicht als Schwäche ausgelegt werden sollte. Deshalb betont er, dass ein Angriff auf ein Bündnis-Land etwas ganz anderes als ein Angriff auf die Ukraine wäre, denn dann würde die gesamte Gegenwehr im Rahmen des Artikel 5, also der kollektiven Verteidigung, aktiviert werden. Im Klartext: Wer das kleine Litauen angreift, attackiert auch die Nuklearmacht Amerika.

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Gerne betet der Generalsekretär bei dieser Gelegenheit auch die Zahlen von Brigaden, Bataillonen und sogenannten Battlegroups herunter, die in den vergangenen Wochen zum Schutz des Bündnisgebietes an die sogenannte Ostflanke verlegt worden sind. Inzwischen haben nach Informationen aus dem Brüsseler Hauptquartier die vier neuen multinationalen Gefechtsverbände mit mehreren Tausend Soldaten in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei die erste Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Zur genauen Zusammenstellung und Größe der Einsatzkräfte äußerte sich die Nato allerdings nicht.

Truppenaufmarsch an der Ostflanke

Deutschland führt derzeit einen rund 1600 Soldaten starken Gefechtsverband in Litauen. In die Slowakei wurden im März zudem Soldatinnen und Soldaten der Luftwaffe mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot verlegt. Gleichzeitig haben die USA Zehntausende Soldaten in die Region gebracht, was vor allem von Polen begrüßt wird. Der polnische Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski fordert sogar eine noch stärkere Präsenz von US-Soldaten. „Polen würde es begrüßen, wenn die Amerikaner künftig ihre Präsenz in Europa wegen der zunehmenden Aggressivität Russlands von derzeit 100 000 Soldaten auf 150 000 Soldaten erhöhen würden“, sagte Kaczynski.

Zur neuen Strategie der Nato gehört auch die Überlegung, größere Truppenkontingente permanent an der Ostflanke zu stationieren. In den Augen Russlands würde ein solcher Schritt allerdings gegen die Vereinbarungen in der Nato-Russland-Grundakte verstoßen. Darin hat sich die Nato verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung „substanzieller Kampftruppen“ im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten. Die bislang stationieren Battlegroups in Bataillonsgröße fallen nach Nato-Interpretation nicht in diese Kategorie.

Neue Waffenlieferungen an die Ukraine

In diesem Punkt hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg allerdings eine sehr klare Meinung. Er sagt, dass Moskau nicht erwarten könne, dass sich die Nato noch an alle Vereinbarungen aus dem Jahr 1997 hält. Die Grundakte habe einen klaren Bezug zum Sicherheitsumfeld im Jahr 1997, als man Russland noch als strategischen Partner gesehen habe, sagte er jüngst. Heute befinde man sich in einem völlig anderen Sicherheitsumfeld, und die Nato werde tun, „was nötig ist“.

Zu diesen Notwendigkeiten zählt auch, dass das Bündnis die Waffenlieferungen zahlreicher Staaten an die Ukraine unterstützt. Die westlichen Verbündeten werden nach Angaben von Nato-Chef Jens Stoltenberg am Mittwoch und Donnerstag über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine diskutieren. Dabei werde es auch um „High-End“-Waffensysteme, Munition und medizinische Ausrüstung gehen. Kritisch gesehen wird in der Nato allerdings die Forderung, hochmoderne Systeme wie US-Kampfjets oder Panzer zu liefern.

Probleme mit hochmodernen Waffensystemen

Militärs weisen darauf hin, dass die Bedienung solcher Waffen großer Übung bedürfe. Auch sei die Logistik sehr komplex. So müsse der Transport, der Nachschub mit Ersatzteilen oder auch die Versorgung mit Treibstoff lückenlos organisiert sein. Selbst der Wunsch der Ukraine nach Kampfjets vom sowjetischen Typ MiG-29, an dem ukrainische Piloten ausgebildet sind, wurde vor einigen Wochen nicht umgesetzt. Von den östlichen Nato-Staaten haben Polen, die Slowakei und Bulgarien MiG-29-Jets. Das in die Frage eingebundene US-Verteidigungsministerium erklärte, die Übergabe der Kampfflugzeuge an die Ukraine könnte von Russland als Eskalation wahrgenommen werden und sei deswegen zu riskant.