Bilder aus ukrainischen Städten zeigen Experten zufolge, dass dort Streumunition eingesetzt wurde. Auch Zivilisten sollen dabei gestorben sein. Was macht Streumunition so gefährlich?

Experten für Konfliktforschung, Menschenrechte und Waffenkunde prangern den Einsatz von Streumunition gegen die ukrainische Bevölkerung im Ukraine-Krieg an. Bei Angriffen dieser Art auf ukrainische Städte wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in den vergangenen Tagen mehrere Menschen getötet, darunter auch Kinder.

 

„Wir müssen uns auf schlimmes Leid einstellen“, sagte Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung angesichts der russischen Artillerie, die weiter an die großen Städte heranrückt, der Deutschen Presse-Agentur.

So funktionieren Streubomben

Als Streubomben werden Raketen oder Bomben bezeichnet, die noch in der Luft über dem Ziel zerbersten und eine Vielzahl kleiner Sprengkörper freisetzen, die sogenannte Submunition. Diese Mini-Bomben, in etwa so groß wie eine Getränke- oder Spraydose, fallen dann in einem Umkreis von mehreren Dutzend Metern zu Boden.

Sie können selbst leicht gepanzerte Fahrzeuge durchschlagen und nicht nur durch ihre Splitterwirkung Menschen in der Nähe tödlich verletzen. Streumunition kann vom Boden aus durch Raketenwerfer abgefeuert, aber auch von Flugzeugen als Bombe abgeworfen werden.

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Experten, mit denen die Deutschen Presse-Agentur sprach, lassen kaum einen Zweifel daran, dass in den vergangenen Tagen Streumunition über Charkiw eingesetzt wurde. Die Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern ist die zweitgrößte in der Ukraine. Fotos und Videos von Augenzeugen zeigen demnach nicht nur die Einschläge von Streumunition in Wohngebieten der Stadt, sondern auch Munitionsreste, die nicht explodierten.

Mini-Bomben zerstören Autos

Auf einem Video einer Überwachungskamera in Charkiw ist zu sehen, wie Streumunition inmitten eines Wohngebietes vor und auf ein mehrstöckiges Gebäude fällt. Die Mini-Bomben zerstören Autos, beschädigen das Gebäude und treffen möglicherweise auch Menschen, die am Rande des Videos zu sehen sind. „Es ist ein ziviles Gebiet, das hier bombardiert wird, und das ist ein Verstoß gegen das Humanitäre Völkerrecht, die Genfer Konventionen“, sagte Wisotzki der dpa nach Sichtung der Aufnahmen.

„Streumunition ist keine Präzisionswaffe“

Zu Behauptungen des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu vom Dienstag, wonach Russland „nur auf militärische Objekte“ ziele und „ausschließlich mit hochpräzisen Waffen“ arbeite, sagte die Konfliktforscherin Wisotzki: „Streumunition ist keine Präzisionswaffe.“

Gefährlich ist diese Art von Munition nicht nur wegen ihrer unmittelbaren Sprengwirkung und den Schrapnellen. Laut Alan Barlow, dem technischen Chefberater der Organisation Conflict Armament Research, detonieren mindestens zehn Prozent der Submunition nicht wie vorgesehen: „Diese Blindgänger bergen eine große Explosionsgefahr für Menschen in der Umgebung, solange sie nicht entschärft werden.“ Barlow sagte der dpa, auch er sehe auf Bildern aus Charkow die Überreste von Streumunition.

Streubomben sind in den meisten Ländern der Welt geächtet. 110 Staaten haben bisher das Übereinkommen gegen Streumunition von 2008 ratifiziert, darunter Deutschland. Die Konvention verbietet unter anderem die Herstellung und den Einsatz dieser Art von Munition. Russland und die Ukraine haben den Vertrag jedoch nicht unterzeichnet. Berichten zufolge wurde seit 2014 auch in umkämpften Gebieten im Donbass Streumunition verwendet.

Auch Kind soll unter den Opfern sein

Bereits in den vergangenen Tagen hatten Menschenrechtsorganisationen den aktuellen Einsatz von Streumunition in der Ukraine verurteilt. Amnesty International berichtete von einem Angriff auf einen Kindergarten in der Stadt Ochtyrka, bei dem Streumunition eingesetzt worden sei. Drei Zivilisten seien ums Leben gekommen, darunter ein Kind. Human Rights Watch berichtete davon, dass ein ukrainisches Krankenhaus von Streumunition getroffen worden sei. Es habe vier Tote und zehn Verletzte gegeben, unter ihnen medizinisches Personal.

Das Humanitäre Völkerrecht verbietet es im Grundsatz, Zivilisten und zivile Gebiete zu beschießen. Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht können als Kriegsverbrechen geahndet werden. Waffen, die wegen ihrer Streuung unterschiedslos Zivilisten und Soldaten treffen können, sollten laut Internationalem Komitee vom Roten Kreuz in Städten nicht verwendet werden.