Jemenitische Rebellen greifen Tel Aviv an und könnten auch den EU-Staat Zypern treffen.
Die ersten direkten Gefechte zwischen den jemenitischen Huthi-Rebellen und Israel haben nach den Kämpfen in Gaza und den Gefechten zwischen Israel und der Hisbollah eine neue Front im Nahost-Krieg eröffnet. Die Huthis trafen am Freitag zum ersten Mal mit einer Drohne die israelische Großstadt Tel Aviv. Israel antwortete mit einem Bombardement der jemenitischen Hafenstadt Hudaida, worauf die Huthis am Sonntag eine Rakete auf den israelischen Badeort Eilat am Roten Meer schossen. Weitere Angriffe würden folgen, solange Israel seinen Krieg in Gaza fortsetze, erklärten die Huthis. Sie können mit ihren Drohnen auch das EU-Mitglied Zypern erreichen.
Israel kämpft einen Krieg mit mehreren Fronten
Die Huthis haben nach israelischen Militärangaben seit Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober mehr als 200 Drohnen und Raketen auf israelisches Gebiet abgeschossen. Bis Freitag konnten alle abgefangen werden. Dann schlug in Tel Aviv nahe einer diplomatischen Vertretung der USA eine Langstreckendrohne der Huthis ein und tötete einen Menschen. Die Huthi-Drohne kam nach Angaben der israelischen Armee wegen menschlichen Versagens bei der Luftabwehr durch.
Israel antwortete mit dem ersten Bombardement seiner Luftwaffe im Jemen. Hudaida wurde nach Armeeangaben als Ziel gewählt, weil der Hafen für Waffenlieferungen aus dem Iran an die Huthis genutzt werde. Der Angriff auf ein Kraftwerk und Öltanks in Hudaida löste einen Großbrand aus und tötete sechs Menschen, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete. Das Feuer von Hudaida sei „im ganzen Nahen Osten zu sehen“, erklärte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant: Jedem sei klar, dass Israel stets zurückschlagen werde. Israelische Kampfjets griffen auch Stellungen der Hisbollah im Libanon an. „Wir kämpfen einen Krieg mit mehreren Fronten“, erklärte Israels Armeesprecher Daniel Hagari.
Der Krieg dürfte weiter eskalieren. Huthi-Sprecher Yahya Saree sagte nach dem israelischen Bombardement in Hudaida, die Rebellen würden weiterhin „wichtige Ziele“ in Israel angreifen. Kurz darauf fing die israelische Luftabwehr eine Rakete der Huthis nahe Eilat ab.
Die vom Iran ausgerüsteten Huthis wollen mit ihren Angriffen auf Israel und auf Handelsschiffe im Roten Meer, Mittelmeer und Indischem Ozean der ebenfalls iranisch unterstützten Hamas im Krieg gegen Israel helfen. Westliche Kriegsschiffe im Roten Meer wehren fast täglich Raketen oder Drohnen der Huthis ab, die auf Frachter und Tanker mit angeblichen Verbindungen zu Israel zielen. Die Huthis haben seit Beginn der Angriffe im November mehr als hundert Schiffe beschossen. Der Schiffsverkehr im Suez-Kanal im Norden des Roten Meeres ist wegen der Gefahr um die Hälfte eingebrochen. Im Mai meldeten die Huthis den ersten Angriff auf ein Schiff im Mittelmeer.
Mit der Drohne in Tel Aviv suchen die Huthis jetzt die offene Konfrontation mit Israel. Das Geschoss war nach Angaben der israelischen Militärs und von Experten eine modifizierte iranische Samad-3-Drohne mit erhöhter Reichweite. Der Angriff auf Tel Aviv sei eine „beträchtliche Eskalation“, sagte Abdulghani al-Iryani vom Sana’a-Zentrum für Strategische Studien in der jemenitischen Hauptstadt unserer Zeitung.
Mit der Reichweite der Huthi-Drohnen wächst die Gefahr für Israel und möglicherweise auch Zypern. Einer Analyse des US-Militärgeheimdienstes DIA zufolge können Huthi-Drohnen vom Jemen aus Ziele von Tansania im Süden bis zur Türkei im Norden treffen. Ein mögliches Motiv für Huthi-Angriffe auf Zypern gibt es auch: Die britische Luftwaffe hat von Stützpunkten auf der Insel seit November mehrmals Stellungen der Huthis im Jemen bombardiert.
Nur eine Waffenruhe in Gaza könnte die Huthis stoppen
„Alles, was Israel treffen kann, kann technisch gesehen auch Zypern treffen“, sagt der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Isik. Wenn die Huthis die Insel angreifen wollten, „dann können sie das auch tun“, sagte Isik unserer Zeitung. „Allerdings müssten Drohnen und Raketen über viele andere Länder fliegen und würden hoffentlich vorher bemerkt und abgefangen.“ Sollte ein Geschoss aber durchkommen, könnte sich das EU-Land kaum verteidigen, meint Isik. Zypern habe kein Luftabwehrsystem, das solche Angriffe parieren könne.
Die Huthis sind nach Einschätzung des jemenitischen Experten Iryani in der Lage, die Gegenschläge Israels „wegzustecken“. Die Rebellen haben einen jahrelangen Krieg gegen die vom Westen ausgerüstete Armee Saudi-Arabiens überstanden und wissen, dass keiner ihrer Gegner zu einer Bodenoffensive gegen ihre Kämpfer im Jemen bereit ist. Amerikanische und britische Luftangriffe haben die Huthis bisher nicht davon abbringen können, weiter Drohnen und Raketen abzufeuern.
Nur eine Waffenruhe in Gaza könnte die Huthis stoppen. Sie haben angekündigt, die Angriffe einzustellen, wenn Israel die „Belagerung“ von Gaza beendet. Solange der Krieg weitergeht, muss Israel nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Isik mit neuen Angriffen der Huthis rechnen: „Sie werden es weiter versuchen.“