Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil: Durch Kriegsflüchtlinge erhöht sich die Kriminalität in Deutschland. Details zur Statistik weiß André Schulz, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Er warnt davor, dass die Polizei resignieren könnte.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Stuttgart. - Der Anstieg der Flüchtlingszahlen spiegele sich nicht in der Kriminalitätsentwicklung, sagt der BDK-Vorsitzende Schulz.
Herr Schulz, löst Zuwanderung mehr Straftaten aus?
Die Kriminalstatistik ist interpretationsbedürftig: Rechnet man die Straftaten heraus, die bei der Zuwanderung zwangsläufig passieren – Verstöße gegen das Asylverfahrensgesetz oder durch den Grenzübertritt –, dann liegen wir auf Vorjahresniveau. Bei den Straftaten, die durch Zuwanderer in Deutschland begangen wurden, muss man zwar einen Anstieg um 246 000 attestieren. Das sind aber zu zwei Dritteln Bagatelldelikte wie Schwarzfahren. Im gesamten Kontext relativiert sich das. Und wir fühlen unsere Aussage vom vorigen Sommer bestätigt, dass gerade Iraker, Syrer und Afghanen als Tatverdächtige deutlich unterrepräsentiert sind. Zuständig für die schwereren Straftaten sind Menschen vom Balkan, aus dem Kaukasus und Nordafrika.
Schaut die Politik zu sehr auf Terrorbedrohungen und vernachlässigt Kriminalität?
Zu den dramatischen Aussagen der Statistik gehört die massive Zunahme der Wohnungseinbrüche – gerade hier haben wir überdeutlich nicht-deutsche Täter. Darauf haben Polizei und Bundeskriminalamt aber frühzeitig schon vor Jahren hingewiesen. Ähnliches gilt für die Taschendiebstähle, die nach der Silvesternacht in Köln im Fokus standen. Die Hinweise werden meistens von politischer Seite ignoriert.
Führt das zu einer zumindest partiellen Machtlosigkeit der Polizei?
Zu einer gewissen Resignation auf jeden Fall, wenn man etwa bei der Cyberkriminalität der digitalen Entwicklung um Jahre hinterherhinkt. Auch bei Wohnungseinbrüchen könnten die Aufklärungsquoten verdoppelt werden, wenn man das Personal hätte, was man in Qualität und Quantität bräuchte. So kann man sich viele Delikte ansehen. In vielen Ländern bedeutet kriminalpolizeilicher Fachverstand Learning by doing. Zwölf Länder bilden nur für den schutzpolizeilichen Bereich aus: also für die täglichen Anforderungen im Streifendienst und bei der Bereitschaftspolizei. Was später kommt, müssen die Polizisten selbst erlernen. So funktioniert Kriminalitätsbekämpfung im 21. Jahrhundert nicht mehr.
Ist alles nur eine Frage des Geldes?
Es ist eine politische Entscheidung, wie viele Ressourcen angemessen sind. Wir erleben: Die meisten Länder haben gemerkt, dass in der Vergangenheit zu wenig investiert wurde und versuchen jetzt, die Defizite auszugleichen. Dann stoßen sie auf das andere Phänomen, dass wir gar nicht mehr so viel geeignetes Personal bekommen. Es ist kein Geheimnis, dass in jedem Bundesland die Anforderungen an den Polizeiberuf massiv gesenkt wurden, um die Personaldecke halten zu können. So fragt sich, ob man die Leute kriegt, die man braucht.