Mit einem Kriegsvergleich bringt Ungarns Premier nun selbst die konservativen Parteien in der EU gegen sich auf. Selbst ein Ausschluss der Fidesz-Partei aus dem konservativen Parteienbündnis EVP wird hinter vorgehaltener Hand diskutiert.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Budapest - Die Tritte ins Fettnäpfchen sind in Ungarn Chefsache. Die Schadensbegrenzung überlässt der streitbare Premier Viktor Orbán dann seinen diplomatischen Helfern. Orbáns flapsige Bemerkung, dass Deutschland „nicht noch mal die Kavallerie, in Form von Panzern, schicken“ solle, habe sich keineswegs gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern gegen SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gerichtet, versicherte Gergely Pröhle, seines Zeichen stellvertretender Staatssekretär im Außenministerium.

 

Ärger aus der CDU

Die etwas bemühte Notlüge zur Schadensbegrenzung ist verständlich, denn bisher galt die Kanzlerin als wichtigste EU-Fürsprecherin von Ungarns wortgewaltigen Patrioten. Doch tatsächlich hatte keineswegs Peer Steinbrück, sondern nur Angela Merkel die Kavallerie beim Europaforum des WDR vergangene Woche in Zusammenhang mit Ungarn gebracht.

Auf Steinbrücks Vorhaltungen, dass die CDU und die konservative Parteifamilie EVP zu wenig Druck ausübten, um Europas Dauerstörenfried zur Räson zu bringen, versicherte die Kanzlerin „alles zu tun, um Ungarn auf den richtigen Weg zu bringen“. Orbán habe ihr wiederholt zugesichert, die EU-Kritik an Ungarns Verfassung „ernst“ zu nehmen. „Wir werden aber nicht gleich die Kavallerie schicken“, fügte sie in Anspielung auf ein vier Jahre altes Zitat des SPD-Kanzleranwärters beim damaligen Steuerstreit mit der Schweiz hinzu. Premier Orbán fühlte sich provoziert und sah das Wortspiel als Einmischung in ungarische Fragen. Die Deutschen hätten schon einmal „in Form von Panzern“ die Kavallerie geschickt, erinnerte er in einem Rundfunkinterview spitz an den Einmarsch der Wehrmacht in das damals eigentlich mit Nazideutschland verbündete Ungarn im März 1944. Orbán: „Wir würden sie bitten, sie nicht noch einmal zu schicken. Es war schon damals keine gute Idee – und funktionierte nicht.“

Egal, an wen der Premier nun seinen gewagten Geschichtsvergleich gerichtet hat. Ausgerechnet in den Reihen der Partei, die bislang in der EU willig die Rolle der geduldigsten Orbán-Versteher mimte, hat sein rhetorischer Sprung zurück in die Besatzungszeit nachhaltigen Unmut erzeugt. Orbán belaste zunehmend das traditionell gute Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn und „führt sein Land immer stärker in die Isolation“, ärgerte sich der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Dass Orbán nun auch noch „unsägliche Nazivergleiche“ nutze, zeuge nur von seinem „zunehmenden Realitätsverlust“.

In Europa wird über einen Ausschluss aus der EVP gemunkelt

Tatsächlich strapaziert der selbstbewusste Premier nun auch noch die Geduld seiner bisher wichtigsten Fürsprecher bei seinem Dauerstreit mit Brüssel. Bisher hatte sich die EVP allen Forderungen der liberalen und linken Parteien im Europaparlament nach einer härteren Gangart gegenüber Ungarn oder gar dem Ausschluss von Orbáns Partei Fidesz vehement verwehrt. Hinter vorgehaltener Hand regt sich allerdings erste Unmut über streitbaren Störenfried. Selbst ein EVP-Ausschluss von Fidesz wird von manchen Politikern schon in Erwägung gezogen. Das Verhältnis von Viktor Orbán zu seinen deutschen Parteifreunden beginnt sich also allmählich nachhaltig zu trüben. Der jüngste Ausfall des Premierministers in Richtung Berlin lässt indes auch in Ungarn erstaunen. Noch im März habe Orbán versichert, dass Merkel die Letzte sei, mit der er sich anlegen wolle, wunderte sich am Dienstag die linksliberale Tageszeitung „Nepszabadsag“. „Trotzdem hat er nun alles getan, um die Kanzlerin zu provozieren.“