US-Präsident Barack Obama steht vor der vielleicht größten Herausforderung seiner Amtszeit – denn die militärischen Drohungen aus Moskau haben ihn mitten auf das Schachbrett gezogen. Er muss aber erkennen, dass er wenig bewirken kann.

Washington - Noch vor wenigen Tagen sagte US-Präsident Barack Obama, er halte die Krise in der Ukraine nicht für einen Wettstreit seines Landes mit Russland: „Es ist nicht unser Ansatz, das wie ein Schachspiel aus der Zeit des Kalten Kriegs zu sehen.“ Die Realität sieht mittlerweile völlig anders aus: Die militärischen Drohungen aus Moskau haben Obama mitten auf das Schachbrett gezogen – und der Verfassungsrechtler, der seit fünf Jahren im Weißen Haus regiert, steht vor der vielleicht größten Herausforderung seiner Amtszeit: Wie lässt sich Russlands Präsident Putin zur Räson bringen?

 

Schon am Freitagabend musste Obama erkennen, dass er wenig bewirken kann. In einem kurzen Auftritt in Washington drohte der US-Präsident seinem Amtskollegen im Kreml an, dass ein Einsatz russischer Soldaten auf der Krim einen Preis haben werde. Am Wochenende ging der US-Präsident einen Schritt weiter. 90 Minuten lang habe Obama mit Putin telefoniert, vermeldete Washington, und ihm deutlich gemacht, dass Russland die territoriale Integrität der Ukraine verletze, was ein Bruch internationalen Rechts sei. Putin indes zeigte sich wenig beeindruckt. Selten ist eine Warnung aus den USA so wirkungslos verpufft.

Die Amerikaner sind kriegsmüde

Schon als es um den syrischen Bürgerkrieg ging, war das Abschreckungspotenzial der USA wenig beeindruckend. Obama sprach wiederholt von einer „roten Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, drohte mit einem begrenzten Militärschlag gegen das Assad-Regime und blies die Sache dann wieder ab, als der Widerstand in den USA zu groß wurde.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Obama diese Methode in der Krim-Krise nicht mehr anwenden. Die Amerikaner sind kriegsmüde. Sie haben Obama zuerst gewählt und dann wiedergewählt, weil er versprochen hat, die Kriege des Ideologen George W. Bush im Irak und in Afghanistan zu beenden. Nun steckt Obama in einem Dilemma. Einerseits will er der Diplomatie den Vorzug in internationalen Krisensituationen geben, will Bündnisse eingehen statt Alleingänge zu unternehmen. Andererseits hält er an der Doktrin fest, dass die USA zu militärischer Abschreckung in der Lage sein müssen, um ihre Interessen in der Welt zu schützen.

Russland muss die Vereinten Nationen nicht fürchten

Putin dürfte dieses Dilemma in die Hände spielen. Der russische Präsident, geschult als Spion im Kalten Krieg, ist von anderem Kaliber als der Autokrat Assad. Russland hat ein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat und muss die Vereinten Nationen nicht fürchten. Russland ist wichtiger Energielieferant der Europäer. Wenn Obama nach Sanktionen auf diesem Gebiet ruft, könnte das einen Keil zwischen Europa und die USA treiben. Ähnlich verhielte es sich mit Strafmaßnahmen gegen russische Banken, die deutlich mehr Geschäfte mit Europa machen als mit den USA. Bleibt nur Obamas Ankündigung, die Vorbereitung für den G-8-Gipfel zu boykottieren, den in diesem Jahr ausgerechnet Russland ausrichtet. Diese Sanktion dürfte Putin nur wenig berühren.

Fiona Hill, Wissenschaftlerin an der Denkfabrik Brookings in Washington, wurde gefragt, was die USA tun könnten. Ihre Antwort in der „New York Times“ war wenig optimistisch: „Wir werden über Sanktionen reden. Wir werden über rote Linien reden.“ Und Putin werde sich zurücklehnen und beobachten: „Er weiß doch, dass niemand von uns einen Krieg will.“