In der Kanzlei einen hochkriminellen Mandanten, zuhause eine unzufriedene Ehefrau, Karriere wie Ehe in der Sackgasse – für den Anwalt Björn Diemel läuft es im Krimi „Achtsam morden“ nicht gerade rund. Ob ihm Achtsamkeit aus der Klemme helfen kann?

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Da macht man als Jurastudent ein gutes, nein, ein hervorragendes Examen, eins mit Prädikat, landet in einer großen Kanzlei mit fettem Dienstwagen und noch fetterem Jahressalär – und steckt dennoch schwer in der Klemme. Beruflich und auch privat. Denn Björn Diemel, der Held in Karsten Dusses Krimi „Achtsam morden“ steht von beiden Seiten unter Beschuss.

 

Psychopathischer Mobster

Die drei Inhaber einer Nobelkanzlei haben den Jungjuristen einst teuer eingekauft, damit er einen sogenannten „Bäh“-Mandanten vertritt: Den psychopathischen Mobster Dragan, der viel Geld, aber kein bisschen Renommee bringt. Das ist der Grund, weshalb Diemel immer noch bloß angestellter Anwalt ist. Andere Advokaten, die erst später in die Kanzlei eingestiegen sind, ziehen an ihm vorbei und werden Partner.

Doch nicht nur den Kanzlei-Weißrücken ist das Mandat ein Dorn im Auge. Auch Diemels Frau hat die Nase voll von berufsmäßiger Schwerkriminalität und einem Ehemann, der nie für sie und die gemeinsame kleine Tochter da ist. Sie stellt ihrem Mann ein Ultimatum: entweder er lässt sich von einem Experten in Achtsamkeit schulen, oder es ist aus zwischen den beiden.

Gefangen in den Gewohnheiten

Widerwillig und schon gleich beim ersten Mal verspätet geht Diemel zu dem Berater. Kleine Kostprobe gefällig? „…habe ich in den drei Minuten von Ihnen erfahren, dass Sie Verabredungen nicht als verbindlich ansehen, dass Sie Ihre Prioritäten ausschließlich von außen setzen lassen, dass Sie Schweigen nicht aushalten und dass Sie komplett in Ihren Gewohnheiten gefangen sind. Wie fühlen Sie sich?‘ Wow. Der Typ hatte recht. ,Wenn Sie aus genau diesen Gründen jetzt auch keinen Sex mit mir haben wollen, dann fühle ich mich exakt wie zu Hause!‘, platzte ich heraus.“

Mit diesem Ton geht es über mehr als 400 Seiten. Und die Achtsamkeit, die Diemel bei seinem neuen Freund gelernt hat, zeitigt ungeahnte Früchte. Zum Beispiel die, dass er Dragan, der nach einem Mord von der Polizei gesucht wird, zwar im Kofferraum seines Autos versteckt, den schwarzen Wagen beim anschließenden Vater-Tochter-Wochenende aber ganz achtsam – in der prallen Sonne stehen lässt: „Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Dragan aufgrund meines achtsamen Entspannungstages an einem Burnout verstarb.“

Saukomisch und manchmal ein bisschen brutal

Je nun. „Glück wird nicht verliehen. Die Quelle des Glücks ist in uns selbst.“ Und dieses Glück schmiedet der Anwalt nun Stück für Stück selbst. Denn natürlich hatte sein Dragan eine Bande. Und diese Bande hat eine Konkurrenzbande. Und dann ist da auch noch die Polizei, die sich für den Verbleib des Verbrechers interessiert. Nicht zuletzt, weil ein Finger mit seinem Ring aufgetaucht ist.

So muss Diemel wieder ran und wieder und wieder, immer auf größte Achtsamkeit bedacht. Das ist spannend, saukomisch, manchmal ein bisschen brutal. Aber immer lehrreich. Denn Karsten Dusse, von Haus aus selber Rechtsanwalt und Fernsehautor, gelingt so nebenbei das Kunststück, seine Leser auch in die Achtsamkeit einzuführen. Sie müssen ihre Widersacher ja nicht gleich im Audi A8 niedertemperaturgaren.

Karsten Dusse: Achtsam morden, 416 Seiten, Taschenbuch, Heyne, 9,99 Euro

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