Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, sieht keine erhöhte Terrorgefahr und keinen relevanten Kriminalitätszuwachs in Deutschland durch die starke Flüchtlingsbewegung. Die Radikalisierung finde hierzulande statt.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Zuwanderung verstärkt die Ängste der Menschen vor wachsender Kriminalität, wie Meinungsumfragen und vielfältige Äußerungen in den sozialen Netzwerken zeigen. Der Terror in Paris verstärkt die Furcht, die sich aus Sicht von Kriminalexperten allerdings nicht belegen lässt. 

 
Herr Schulz, was können die Sicherheitsbehörden noch besser machen, damit Deutschland weiterhin vor Attentaten wie in Paris verschont bleibt?
André Schulz Foto: privat
Die terroristische Bedrohungslage gibt es spätestens seit dem 11. September 2001. Die Sicherheitsbehörden rechnen eigentlich schon seit Jahren damit, dass es auch in Deutschland zu einem Anschlag kommen wird. Im aktuellen Terrorfall handelt es sich bei einem bisher identifizierten Attentäter wieder um jemanden aus dem Lande. Wir predigen seit Jahren: Polizei, Geheimdienste und Verfassungsschutz müssen Radikalisierungstendenzen möglichst früh erkennen. Dazu braucht man Manpower, keine neuen Gesetze. Das Personal wurde aber seit „9/11“ nicht aufgestockt. Vielmehr wird gemacht, was gerade so geht. Da darf man sich dann nicht wundern, wenn etwas passiert.
Warum bekommen Sicherheitsbehörden die Vorbereitung eines solchen Anschlags nicht mit?
Machen wir uns nichts vor: Das ist sehr schwierig. Es ist kein großes Problem, in Europa eine Waffe zu kaufen. Und eine Vollzeitüberwachung für alle Gefährder, wenn wir sie überhaupt kennen, ist nicht möglich. Das wäre auch rechtsstaatlich bedenklich. Generell will hier niemand in einem Überwachungsstaat leben. Man kann nur im verstärkten Maße tun, was man schon macht. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht.
Helfen Ihnen schärfere Sicherheitsgesetze?
Im Kern nicht. Es gibt so viele Möglichkeiten, die wir heute schon haben. Wir fordern allerdings, dass der Terrorismusbegriff modifiziert werden muss. Es braucht in Deutschland sehr viele Kriterien, bis die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Dies schränkt uns in unseren Maßnahmen deutlich ein. Auch die EU kritisiert uns deshalb seit Jahren, dennoch passiert in Deutschland nichts in diese Richtung.
Die Pariser Attentate werden die Sorgen der Bürger vor dem Flüchtlingszuzug und einem vermeintlich höheren Terrorrisiko hierzulande noch einmal verstärken.
Ein Blick in die sozialen Netzwerken zeigt schon die Haltung: Seht ihr, wir importieren den Terror. Was natürlich total dämlich ist, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Es gibt viele Hinweise bis hin zu denen von Geheimdiensten, die alle sagen, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall sein wird. Man kann die Verbindung zwar nicht ganz ausschließen, aber alle bekannten Anschläge in Europa wurden nicht von zugereisten, sondern von einheimischen Tätern verübt.