Am nächsten Morgen müssen sie aufstehen, wie jeden Morgen, als wäre nichts gewesen. Dabei fehlt jemand, mit dem sie 17 Jahre ihres Lebens geteilt haben. Die Polizei vermutet das Schlimmste, als auf dem Brachgelände der Ziegelei Anjas Foto aus dem Verbundpass entdeckt wird. Suchmannschaften durchkämmen die Weinberge und die Kleingärten. Erst am Montag wird Anja gefunden, in einem Gemüsebeet wenige Meter vom Fußweg zum Muckensturm entfernt. Die Hundestaffel war Stunden zuvor durch dieses Gebiet gezogen und hatte nichts Verdächtiges entdeckt. Der Leichnam wäre wahrscheinlich nie gefunden worden, wenn später nicht ein aufmerksamer Gartenbesitzer im Beisein eines Polizeibeamten seinen in der Freizeit angelnden Nachbarn gefragt hätte, ob er wieder mal in einer Rabatte nach Würmern gesucht habe. Die Polizei geht mit Schaufeln ans Werk, ohne damit zu rechnen, in diesem Beet eine Tote zu finden. Plötzlich taucht ein lebloser Körper auf. Die Obduktion ergibt, dass Anja erwürgt worden ist.

63 ungeklärte Mordfälle


Stuttgart ist schockiert über den Tod des Mädchens. Tausende nehmen teil am Schicksal der Familie - und an einem Trauermarsch. "Anja wurde aus dem Leben herausgerissen", sagt der Pfarrer bei der Beerdigung. "Gottes Wille war das nicht."

Wessen Wille war es dann? Wer hat Anja umgebracht, sie in einem Beet eingegraben und danach in tiefster Nacht alles so sauber gefegt und gekehrt, dass man es kaum für möglich hält? Wer hat die Spuren verwischt, Textilien und Monatskarte zerkleinert und auf den Feldern der Umgebung verteilt? Diese Fragen beschäftigen die Polizei seit 23 Jahren. Unmittelbar nach der grausamen Tat waren 531 Männer auf ihr Alibi überprüft worden. Auch zwei Berichte in der Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" blieben erfolglos. Immer wieder beugten sich Spezialisten über die Akten. Nur in zwei Punkten legten sie sich fest: Der Täter hat sich in der Gegend bestens ausgekannt. Er war zwischen 30 und 40 Jahre alt und vermutlich für Anja "positiv besetzt".