Nach dem Ende der Coronapandemie steigt die Kriminalität erwartungsgemäß wieder an. Auch wenn der Rems-Murr-Kreis nach wie vor ein sehr sicheres Terrain ist, bereiten einige Entwicklungen der Polizei Sorgen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Ausgangssperren, Geschäftsschließungen, Sperrstunden: Die Coronapandemie und die politischen Maßnahmen dagegen haben das öffentliche Leben für einige Zeit zu großen Teilen zum Erliegen gebracht. In den Jahren 2020 und 2021 spiegelte sich das auch in den Zahlen zur Kriminalität wider. Nun ist die Pandemie vorbei, und die Gelegenheiten werden häufiger, Straftaten zu begehen. „Das gesellschaftliche Leben kehrt zurück und damit ein Stück weit auch die Kriminalität“, konstatiert Reiner Möller, der Präsident des Polizeipräsidiums Aalen. Dieses ist für die Landkreise Rems-Murr, Ostalb und Schwäbisch Hall zuständig und hat am Mittwoch seine jährliche Statistik präsentiert.

 

Straftaten werden insgesamt wieder häufiger Die schlechte Nachricht vorweg: Im Bereich des Präsidiums Aalen hat es 2022 wieder mehr Straftaten gegeben als im Jahr zuvor. Die Zahl der Delikte ist mit 35 608 fast genau so hoch wie im Jahr 2020, das bedeutet einen Anstieg um gut zwölf Prozent. Allerdings, und nun kommt die bessere Nachricht: „Man sollte den Mehrjahresvergleich im Auge haben, und da sinkt die Kriminalität“, betont Möller. Seit 2015 zeige sich ein kontinuierlicher Rückgang, von Ausnahmen in den Jahren 2018 und 2022 abgesehen.

Setzt man die Zahl der Straftaten ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, erhält man die sogenannte Häufigkeitszahl. Im Fall des Präsidiums Aalen liegt sie bei 3781. „Damit liegen wir weiterhin deutlich unter dem Landesdurchschnitt und auf dem 3. Platz, das ist ein sehr guter Wert“, sagt Möller. Statistisch gesehen sicherer ist es nur noch in den Bereichen der Präsidien Pforzheim und Heilbronn. Spitzenreiter – im Sinne einer hohen Häufigkeitszahl – sind die städtisch geprägten Präsidien Stuttgart, Freiburg und Mannheim.

Zahl der Kinderpornografie-Fälle explodiert Eine der Hauptursachen für den Anstieg sind die Zahlen zur Verbreitung und dem Besitz von Kinder- und Jugendpornografie. Diese haben um 58 Prozent zugenommen. Die Täter haben über weltweite Vernetzung technische Möglichkeiten, von denen sie vor ein paar Jahren nur träumen konnten – aber die Ermittler ebenso. „Die meisten der Verfahren werden von US-amerikanischen Behörden an das BKA weitergegeben und dann auf die Bundesländer verteilt“, erklärt Möller. Die Datenmengen, die seine Kollegen auswerten, lägen „im Terabyte-Bereich, und es wird täglich mehr“. Doch auch die Zahl der sexuellen Belästigungen ist um fast 50 Prozent angestiegen.

Laden- und Taschendiebstähle werden häufiger Im Jahr 2022 wurde wieder öfter gestohlen als im Vorjahr – wobei sich die Zahl der Fälle aber dennoch unter dem Stand von 2020 bewegt. Speziell die Ladendiebstähle befinden sich jedoch auf einem Hoch im Fünfjahresvergleich. Die rund 2200 Fälle im Präsidiumsbereich wurden zu 87 Prozent aufgeklärt. Dabei zeigte sich, dass die Täter immer öfter im Kindes- oder Jugendalter waren. Die Zahl der jungen Tatverdächtigen bei Ladendiebstählen stieg um fast 103 Prozent an.

Messerangriffe: Der Polizeipräsident warnt vor Panik Straftaten, in denen körperliche Gewalt angedroht oder angewandt wurde, sind im vergangenen Jahr ebenfalls wieder häufiger geworden. So befindet sich die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen oder Raub auf dem zweithöchsten Wert im Fünfjahresvergleich. Dasselbe gilt für Aggressionsdelikte, auch jene im öffentlichen Raum. „Darauf werden wir auch im Jahr 2023 ein besonderes Augenmerk legen. Denn durch Straftaten in der Öffentlichkeit wird das Sicherheitsempfinden der Menschen maßgeblich mit beeinflusst“, sagt Möller. Dabei müsse man dennoch zwischen der statistischen und der gefühlten Sicherheit unterscheiden.

Dies dürfe man auch mit dem Blick auf die gestiegene Zahl von Messerangriffen nicht vergessen. Deren Zahl sei insgesamt auf niedrigen Niveau – doch in den Köpfen vieler Menschen als quasi größte Bedrohung präsent. Seit drei Jahren werden Messerangriffe von der Polizei in Baden-Württemberg gesondert erfasst, um sie beispielsweise von Einbrüchen zu unterscheiden, bei denen der Täter ein Messer mitgeführt hat. Diese Zahl ist seit 2020 angestiegen: 2022 wurde in den drei Landkreisen 195 Mal mit einem Messer gedroht oder zugestochen. Fast 87 Prozent der Tatverdächtigen waren männlich, fast 44 Prozent der mutmaßlichen Täter hatten keine deutsche Staatsbürgerschaft.

Gewalt gegen Polizisten nimmt weiter zu Ein Punkt, der Reiner Möller sichtlich umtreibt, ist die häufiger gewordene Gewalt gegen Polizisten. Der Anstieg um 2,8 Prozent scheint zwar nur moderat. Aber es ist die Fortsetzung eines Aufwärtstrends, der seit 2014 nur einmal – während der Coronazeit – gebrochen wurde und nun ein Zehnjahreshoch erreicht hat. „Die Kollegen, aber auch ehrenamtliche Einsatzkräfte, werden bespuckt, gebissen, geschlagen, getreten und gestoßen. Aus meiner Sicht ist das nur schwer zu ertragen und ein Angriff nicht nur auf die Polizei, sondern die ganze Gesellschaft“, sagt Möller.