Knapp 600 000 Deutsche verfügen derzeit über den Kleinen Waffenschein. Grund dafür ist nach Aussage von Polizeiexperten auch das sinkende Sicherheitsgefühl der Bürger. Wir sprachen mit Steffen Mayer, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Baden-Württemberg.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Die Zahl der Kleinen Waffenscheine in Deutschland ist weiter gestiegen. Dieser Waffenschein berechtigt zum verdeckten Tragen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Laut einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland bei den Innenministerien der 16 Bundesländer waren Ende Oktober 2018 insgesamt 599 940 Kleine Waffenscheine registriert. Das sei ein Anstieg um rund 130 Prozent seit 2014, als es demnach noch 261 332 solche Erlaubnisse gab.

 

„Insgesamt leben wir recht sicher – auch in Baden-Württemberg“

Wir sprachen mit dem Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Baden-Württemberg, Steffen Mayer, über die Sicherheitslage im Land, die Arbeit der Polizei und die Stimmung in der Bevölkerung.

Herr Mayer, worauf führen Sie die rapide gestiegenen Zahlen beim Kleinen Waffenschein – von rund 260 000 im Jahr 2014 auf derzeit knapp 600 000 – zurück?

Das hat mit dem gesunkenen allgemeinen Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu tun. Der Auslöser dafür ist, dass man dem Staat nicht mehr zutraut, seinen Aufgaben wahrzunehmen und den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Zunehmend kommen die Menschen dann auf den Gedanken, dass man sich selbst bewaffnen und schützen müsste.

Ist dieses Gefühl durch die Realität gedeckt?

Ich kann dieses Gefühl nachvollziehen, auch wenn die Statistiken, insbesondere die Polizeiliche Kriminalstatistik etwas anders aussagen. Die Kriminalität in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Natürlich gibt es in einigen Bereichen eine Steigerung. Aber insgesamt leben wir recht sicher – auch in Baden-Württemberg.

„Dies hat auch mit der Flüchtlingskrise zu tun“

Woher kommt dieses erodierende Sicherheitsgefühl dann?

Man braucht da nicht lange zu überlegen und kommt auf den Gedanken, dass dies auch mit der Flüchtlingskrise und der Berichterstattung in den Medien zu tun hat. Insofern kann ich dieses Gefühl nachvollziehen, aber rein faktisch und objektiv betrachtet sollte dieses Unsicherheitsgefühl gar nicht so ausgeprägt sein.

Ist es aber doch.

Nehmen wir zum Beispiel Wohnungseinbrüche: Deren Zahl ist zwar gestiegen. Im Vergleich zu den 1990er Jahren liegen wir aber immer noch weit unter den Zahlen von damals. Es gab schon Zeiten, da war es in Deutschland unsicherer als heute.

„Was immer ein Thema ist, ist Polizei-Präsenz“

Dennoch fürchten sich viele Menschen mehr denn je. Was kann die Polizei tun, damit sich das Sicherheitsgefühl wieder bessert?

Noch mehr als bisher müssen wir im Bereich der Prävention beraten und unsere Erfolgszahlen deutlicher herausstellen. Was immer ein Thema ist, ist Präsenz: Normale Streifen, Polizisten, die für den Bürger auch nachts in Wohngebieten sichtbar sind und für Fragen zur Verfügung stehen. Das sorgt für Sicherheit, und nicht so sehr schwerbewaffnete Beamte, die auf den Weihnachtsmärkten stehen. Die brauchen wir leider auch, aber mehr zur Abschreckung und als deutliches Zeichen gegenüber dem Terrorismus.

Was würde mehr Polizeipräsenz auf den Straßen bedeuten?

Dies würde dazu führen, dass das gefühlte Sicherheitsgefühl wieder steigen würde. Das hängt vor allem von der Personalsituation und der Schwerpunktsetzung der Polizeiarbeit ab.

Vorfälle wie jüngst die Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Freiburg verstärken das Unsicherheitsgefühl. Welche Auswirkungen haben solche spektakulären Ereignisse auf die Psyche der Menschen in Deutschland?

Das kann die Arbeit von Jahren zunichtemachen. Das sind singuläre Ereignisse, die erschüttern – und auch uns als Polizeibeamten nahe gehen. Da können sie zehn Jahre lang gute Arbeit geleistet haben. Da kommt ein Fall, ein zweiter und ein dritter wie in Freiburg – da können sie den Leuten nur ganz schwierig erklären, dass es sich um Ausnahmen handelt. Obwohl es sich faktisch um Ausnahmen handelt. Manchmal schlägt der Zufall erbarmungslos zu.