In der Kriminalgeschichte hat es immer wieder kannibalistische Mörder gegeben – wie jüngst in Berlin. Ermittler untersuchen dort einen möglichen Sexualmord mit Hinweisen auf Kannibalismus. Der Fall erinnert auf den ersten Blick an den „Kannibalen von Rotenburg“ aus dem Jahr 2001. Wie kann es zu solchen Taten kommen?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Berlin - Dass ein Mensch einen anderen umbringe, um ihn dann aufzuessen, sei extrem selten, betont Kriminalpsychologe Rudolf Egg, der frühere Leiter der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder in Wiesbaden. „Als Fantasie kann das häufiger sein, aber dass Kannibalismus tatsächlich vollendet wird, kommt fast nicht vor.“

 

Die Faszination des Bösen sei Menschen aber nicht fremd. Manche freuten sich an Prügelszenen, andere an Hinrichtungen. „Und wieder andere gehen eben in Richtung Kannibalismus.“

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Sexueller Kannibalismus sei dabei eine besondere Form der Sexualität. „Der körperliche Akt lässt sich als die Vereinigung zweier Körper beschreiben. Sie werden eins“, erklärt Egg. Das sei natürlich nur eine geringe und kurzzeitige Vereinigung. „Aber zu Ende gedacht wäre es, wenn man einen Menschen vollständig in sich aufnehmen könnte.“

Sexuell bedingter Kannibalismus

Beim Kannibalismus gehe es um das Aufessen als Zeichen der Sexualität, erläutert Egg. Und es gebe sexuellen Sadismus, also die Freude daran, jemanden zu quälen. „Das sind beides sexuelle Abweichungen, die weit von der Norm entfernt sind. Kannibalismus liegt an einem sehr bizarren Ende einer solchen Abweichung.“ Natürlich sei es hochgradig gestört, jemanden umzubringen und aufzuessen. Das könne eine homosexuelle Ebene haben, aber es gebe auch heterosexuellen Kannibalismus.

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Neben dem sexuellen sei ritueller Kannibalismus bekannt, sagt Egg. Das habe es zum Beispiel bei Ureinwohnern gegeben, die die Seele eines Verstorbenen in sich aufnehmen wollten, indem sie sein Gehirn verspeisten. „Es waren also religiöse Motive.“ Und es gebe Not-Kannibalismus, in dem es beim Essen des Fleischs von Verstorbenen ums eigene Überleben gehe. Bekannt geworden sei das zum Beispiel nach einem Flugzeugabsturz.