Auf dem Platz zwischen Bahnhof und Einkaufszentrum Mercaden geht es zuweilen ganz schön roh zu. Die Polizei startet deshalb ein Präventionskonzept, um Zivilcourage zu fördern. Außerdem hat sie die Zahl der Kontrollen im Bahnhofsviertel erhöht. Ob dort auch Videoüberwachung installiert wird, ist noch nicht entschieden.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Mehr Zivilcourage soll den Böblinger Bahnhof sicherer machen. Am Stadtfestwochenende starten das Polizeipräsidium Ludwigsburg und die Bundespolizei mit einem neuen Präventionskonzept, um den Bürgern umsetzbare Tipps für Gefahrensituationen zu geben. Die Sicherheit am Böblinger Bahnhof war schon mehrfach Thema gewesen. Die CDU-Fraktion des Böblinger Gemeinderats hatte beantragt, dort eine Videoüberwachung zu installieren. Auch der Kreistag beschäftigte sich damit: Anfang Mai räumte der Polizeipräsident Frank Rebholz in einer Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses ein, dass die Zahl der Delikte in dem Bereich gestiegen sei. Allerdings sei die Situation „nicht so schlimm“, wie es so mancher Bürger empfinden würde, schränkte er ein. Dennoch legte die Polizei auch ein neues Einsatzkonzept vor.

 

Das Viertel ist attraktiver geworden – und deshalb ist auch mehr los

Dass am Böblinger Bahnhof mehr los ist als früher, ist für Frank Rebholz logisch: Mit dem Umbau des Platzes und der Bahnhofstraße zur Fußgängerzone sowie dem Neubau des Einkaufszentrums Mercaden sei der Bereich viel attraktiver geworden. Der Bahnhof werde täglich von rund 35 000 Menschen frequentiert, berichtete er, die Mercaden besuchen rund 25 000 Menschen. „Die Attraktivität des Viertels führt zwangsläufig dazu, dass Personen und Gruppen ganz unterschiedlicher Prägung diesen Bereich als Treffpunkt nutzen“, erklärte der Polizeipräsident im Kreistag.

Allerdings macht sich diese Attraktivität auch in der Kriminalitätsstatistik bemerkbar. Insbesondere im Jahr 2015 hat sich die Zahl der Delikte um ein Drittel erhöht: Während die Polizei im Vorjahr 574 Straftaten registrierte, waren es 2015 dann 837. Einen Anstieg gab es vor allem bei Ladendiebstählen, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie bei Rohheitsdelikten, zu denen alle Körperverletzungen, Nötigungen und Ähnliches gehören. „Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Gruppen unterschiedlicher kultureller und ethischer Prägung“ sei es im Jahr 2016 schließlich zu 300 Ordnungsstörungen gekommen, die der Polizeipräsident zum überwiegenden Teil unter dem Begriff Jugendschutz zusammenfasste.

Eine weitere Zunahme bei der Zahl der Rohheitsdelikten

Dass sich die Bevölkerung zunehmend unsicher fühlt, wie Beschwerden beim Landratsamt und bei der Stadtverwaltung zeigen, führt Frank Rebholz vor allem auf diese Ordnungsstörungen zurück – verbunden mit Medienberichten über Polizeieinsätze anlässlich von Straftaten und auch eigenen Wahrnehmungen. Bereits im Frühjahr 2016 hat das Polizeirevier die Kontrollen und die Überwachung im Bahnhofsviertel durch uniformierte Beamte sowie zivile Kräfte intensiviert. Deshalb seien die Fallzahlen bei den Diebstahlsdelikten sowie der Rauschgiftkriminalität auch zurückgegangen. bei den Rohheitsdelikten gab es jedoch eine weitere Zunahme.

Im neuen Einsatzkonzept für das Bahnhofsviertel hat das Polizeipräsidium nun alle Akteure eingebunden: Die Bundespolizei, die Sicherheitsdienste der Bahn und des Einkaufszentrums Mercaden sowie der kommunale Ordnungsdienst stimmen sich jetzt ab, um gemeinsam die Präsenz und den Kontrolldruck zu erhöhen. Neben Anzeigen sollen dabei auch die Möglichkeiten von Platzverweisen und Aufenthaltsverboten ausgeschöpft werden. Außerdem setzen die Beteiligten auf Prävention: „Die Erfahrungen zeigen, sobald sich einer traut einzuschreiten, steigt die Bereitschaft zum Helfen auch bei anderen“, erklärt Reinhard Pürkenauer, der Inspektionsleiter von der Bundespolizei in Stuttgart.

Zwar begrüße er alle Maßnahmen, die zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten beitragen, erklärte Frank Rebholz zum Thema Videoüberwachung . Seine Empfehlung lautet jedoch, erst einmal abzuwarten, ob die neuen Konzepte greifen. „Der Klärungsprozess dazu ist nicht abgeschlossen“, heißt es auch vonseiten der Stadt Böblingen. Die CDU-Fraktion hatte den Antrag im Februar gestellt.

Helfen, ohne sich selbst in gefahr zu bringen

Zivilcourage:
Die Bundespolizei und das Polizeipräsidium Ludwigsburg sind während des Stadtfestes auf dem Böblinger Bahnhofsvorplatz präsent. Am Samstag, 1. Juli, gibt es von 11 bis 14 Uhr Tipps für mehr Zivilcourage. „Helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen“, lautet das Motto.

Theater
: Für Schüler startet die Polizei nach den Sommerferien das Projekt „Theater im Bus“. Dabei zeigt die Gruppe Q-rage aus Ludwigsburg, wie Zivilcourage gelernt werden kann. Das Angebot richtet sich an Schüler ab Klasse 7, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. In einem Linienbus spielen die Theaterpädagogen Konflikt- szenen vor – und laden das Publikum zum Eingreifen ein.

Aktionen:
Polizei, Bundespolizei, kommunaler Ordnungsdienst und die Jugendsozialarbeit planen noch mehr Aktionen zur Zivilcourage.