Die Herrenberger Autoren Gäuwriters haben ihr Erstlingswerk vorgelegt. Als Grundlage dient der Stuttgarter Koffermord. Das Autorenteam recherchierte an Originalschauplätzen.

Herrenberg - Eine rote Herzchenbrille liegt in einem schmuddeligen Rinnstein. Sie und das Blut am Bordstein sind die einzigen Farben auf dem Foto des Buchcovers, der Rest ist schwarz-grau-weiß. Das Autorenteam Gäuwriters hat sich einiges ausgedacht, um mit seinem ersten Krimi „Randfiguren“ beim Leser die Aufmerksamkeit zu wecken. Die Handlung spielt vor dem Hintergrund des sogenannten Koffermords im Stuttgarter Osten mit zwei Opfern aus der Obdachlosenszene – ein Stoff, auf den auch mal die ARD aufmerksam werden könnte, als Basis für einen „Tatort“.

 

In der Schreibwerkstatt getroffen

Kennengelernt haben sich die vier bei einem Schreibworkshop der Krimiautorin Sybille Baecker in Herrenberg Anfang 2014. „Als dieser beendet war, sind wir sitzen geblieben und vereinbart, dass wir uns mal treffen könnten“, erinnert sich Alexander Courz, ein Pseudonym, unter dem er bereits mehrere Geschichten und Gedichte veröffentlichte. Derzeit schreibt er an einem historischen Roman, der in die Zeit des amerikanischen Goldrausches zurückführt. Anfangs kam man monatlich zusammen und hatte die Idee, einen Kriminalroman zu schreiben. Man einigte sich auf den Namen Gäuwriters.

„Ich liebe Krimis“, bekennt Gabriele Kast. sie habe bereits viele verschlungen. Auch die des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell von der Krimi-Reihe mit Kommissar Kurt Wallander. „Mitten in unsere Treffen hinein platzte dann der Koffermord“, berichtet Daniel Faust. Die Gäuwriters waren wie elektrisiert. „So etwas Grausames hatte es lange nicht gegeben“, erinnert sich der 35 Jahre alte Faust, der in Nagold-Hochdorf (Kreis Calw) lebt, in Teilzeit als Fachredakteur in einem Verlag arbeitet und ein eigenes Redaktionsbüro betreibt. Aufregend fanden die Autoren auch den Fundort der Koffer, welche die zerstückelten Leichen der beiden Opfer enthielten, in der Nähe des Hauptbahnhofes. Und nicht zuletzt das Obdachlosenmilieu, in dem die Ermittlungen stattfanden.

Schauplatz im Stuttgarter Osten

Sowohl Faust als auch der 61-jährige Courz, ein kaufmännischer Angestellter aus Nufringen, kennen den Ostendplatz in Stuttgart aus früheren Tagen. „Wir haben uns dort auf eine Bank gesetzt, einen Döner gegessen und zugehört, wie sich Obdachlose und Hartz-IV-Empfänger unterhalten haben“, sagt die 63-jährige Nufringerin Kurtz, die bis zu ihrem Ruhestand als Chemielaborantin arbeitete. Die Art und Weise, wie die Menschen am Rande der Gesellschaft miteinander umgegangen seien, habe man beim Schreiben berücksichtigt.

Zu den Recherchen zählten nicht nur Besuche in den Gerichtsverhandlungen des Koffermordprozesses, sondern auch Vor-Ort-Visiten in der Kneipe am Ostendplatz. „Da habe ich unseren Täter getroffen, wie wir ihn uns dann ausdachten“, erzählt Courz. Sämtliche Figuren freilich wurden frei erfunden, wie auch die Handlung letzten Endes eine fiktive ist. „Selbstverständlichen haben wir uns nicht an den realen Fall gehalten“, sagt Faust. Die Gäuwriters ließen sich rechtlich beraten, um keine Konsequenzen fürchten zu müssen. Auch nicht von der Polizei und der Staatsanwaltschaft. In dem Roman gibt es keinen Kommissar, dafür aber einen Immobilienmakler aus dem Stuttgarter Osten, der im Stile eines Pater Brown ermittelt.

Stoff für einen ARD-Tatort ?

Vier Jahre lang haben die Gäuwriters an dem Buch gearbeitet, mit einigen Pausen dazwischen. Herausgekommen ist ein dichtes Sittenbild mit einer Handlung im Zeitraum zwischen Ende Mai und Anfang Juli 2014. Auf jedes Detail legten die Autoren Wert, vom Wetter, das damals herrschte, „bis hin zu der Frage, wie viele Bänke am Obdachlosentreff stehen“, sagt Faust.

Die Hauptschreibarbeit habe vor allem Courz geleistet, einzelne Kapitel seien im Wechsel verfasst worden, resümiert Faust. Schließlich brachte er den Roman in seinem eigenen Verlag heraus. Gedruckt wurden bisher rund hundert Exemplare in einer günstigen Bestelldruckerei. Das Kostenrisiko hält sich in Grenzen – und vielleicht kommt das Werk ja doch eines Tages zu „Tatort“-Ehren.

Die Leichen wurden im Stuttgarter Schlossgarten entdeckt

Publikation:
Das Werk „Randfiguren“ ist im Dezember 2018 im Verlag Phrasanova-Medien erschienen. Es hat 239 Seiten, kostet 8,99 Euro und ist im Buchhandel erhältlich. Die vierte Autorin des Teams ist Birgit Örter (56), die auch aus dem Gäu stammt und seit kurzer Zeit in Niedersachsen zu Hause ist.

Koffermord
: Im März 2015 wurde der 48 Jahre alte Täter im Stuttgarter Koffermord-Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass er an Himmelfahrt 2014 im Alkoholrausch zwei seiner Zechkumpanen umgebracht hatte. Er erstach eine 47 Jahre alte Frau und erschlug einen schlafenden 50-Jährigen mit einem Feuerlöscher. Die beiden Toten wurden der Stuttgarter Obdachlosen-Szene zugerechnet. Die Leichen waren am 1. Juni 2014 nackt und schwer malträtiert in zwei großen Reisekoffern verpackt an einem Bahndamm im Stuttgarter Schlossgarten gefunden worden.