Weil heute viel mehr Krimis verlegt werden, drängt natürlich auch in absoluten Zahlen mehr Mieses auf den Markt.

Stuttgart - Es wird nicht viele Nachrufe auf Joe Gores in unseren Medien geben. Wozu auch? Am Montag ist der amerikanische Krimiautor im Alter von 79 Jahren in Kalifornien gestorben. Ende der Sechziger war er ins Krimigeschäft eingestiegen, hatte drei Mal den Edgar Allan Poe Award der Mystery Writers of America gewonnen und war in den Siebzigern und Achtzigern auch auf dem deutschen Markt präsent. Aber die Leser und Verlage haben sich schon lange von ihm abgewandt. Nachrufe hätten also bestenfalls den Effekt des Redens ins Leere, schlechtestenfalls würden sie den Verfassern den Verdacht einbringen, dem Publikum mal wieder eine Runde des Spiels "Ich kenn' etwas, das Ihr nicht kennt!" zuzumuten.

Die Bedeutungslosigkeit von Gores für den deutschen Krimimarkt könnte man im ersten Moment als Beleg für die Berechtigung jener Auf-sie-mit-Gebrüll-Attacke werten, zu der sich unlängst die "Süddeutsche Zeitung" hinreißen ließ. Deren Ressortleiter München, Joachim Käppner, ein studierter Historiker und offenbar auch ein frustrierter Durchforster der Neuerscheinungsstapel im Buchkaufhaus nebenan, kündigte nämlich den nahen Untergang des Krimis an. Online findet man den Artikel noch unter dem Titel "Der Gärtner war's" ». Die Quintessenz steht gleich am Anfang: "Noch nie war der Krimi so erfolgreich. Aber noch nie gab es auch so peinliche Figuren, so verstiegene Plots. Der Kriminalroman wird immer dümmer - und gräbt sich sein eigenes Grab."

Die Zuordnung zum Genre fällt schwer


Wie erfolgreich der Krimi hierzulande wirklich ist, kann so genau niemand sagen. Erstens fällt die Zuordnung zum Genre schwer. Und dann kann man den Marktanteil an der Anzahl der Titel messen oder am Umsatz. Manche Buchmarktkenner sprechen dem Krimi ein Viertel, manche ein Drittel des Belletristikmarktes zu. Eindrucksvoll sind beide Angaben.

Mit dem Erfolg des Krimis aber häufen sich die Artikel, die entweder die Doofheit der Bestsellerware beklagen oder bestimmte Phänomene des Marktes als Niedergangssymptom betrachten: die Sozialkritik aus der Retorte bei den Skandinaviern, die stereotyp exzentrischen Serienkiller der Amerikaner, die Pathologiekrimis, die Thriller mit paranormalen Phänomenen oder die unbedarft zusammengeschusterten Versuche, vom deutschen Regionaklkrimiboom zu profitieren.

Käppner führt das alles zusammen. Er mag die US-Serienkillerware so wenig wie die Bestseller des Schweden Henning Mankell und die Rundwanderweg-Begleitkrimi-Initiative des örtlichen Tourismusverbands. Da hat er mit seiner Abneigung ja durchaus recht, da könnte er aus den Texten heraus die schönsten Argumente wider solche Gammelkrimis finden. Aber Käppner stellt beliebigen Beispielen des angeblichen Kriminiedergangs die Namen von ein paar Klassikern wie Raymond Chandler gegenüber, um zu belegen, dass früher alles besser war. Das ist Unfug.