Krise bei Hertha BSC Felix Magath macht wieder den Feuerwehrmann

Felix Magath ist nach fast zehn Jahren Pause auf der Bundesligabühne zurück. Foto: Imago/Sp/rtfoto Zink

Zu Beginn seiner Trainerkarriere rettete der 68-Jährige Clubs wie den HSV, Nürnberg und den VfB – nun kehrt er als Chefcoach des Tabellenvorletzten Hertha BSC zu seinen Wurzeln zurück.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Auf seinen obligatorischen Begleiter bei Pressekonferenzen, das Glas heißen Tees samt Beutel, den kaum einer so liebevoll ausdrückt wie er, hat Felix Magath diesmal verzichtet. Vielmehr schenkte sich der 68-Jährige schwungvoll ein Glas Mineralwasser ein, ehe der neue Trainer des Bundesliga-Vorletzten Hertha BSC darüber Auskunft gab, wie er in den verbleibenden acht Saisonspielen mit einer extrem verunsicherten, in Grüppchen zersplitterten und schwer trainierbaren Berliner Mannschaft die Wende zum Guten schaffen will.

 

„Diese Situation ist auf mich zugeschnitten. Sie liegt mir, denn ich bin in der Lage, mich schnell anzupassen“, sagte Magath, der zwar seit dem Aus seiner zweiten Amtszeit beim VfL Wolfsburg im Oktober 2012 fast zehn Jahre nicht als Trainer in der Bundesliga gearbeitet hat, der allerdings über diese Zeit sein verschmitzt vielsagendes Lächeln nicht verloren hat. „Ich kann Sie beruhigen: Ich sehe da keine Probleme, denn ich bin immer Trainer durch und durch geblieben. Ich kann gar nicht anders“, sagte Magath, für den die Hertha die achte Trainerstation in der Bundesliga ist: „Ich habe in dieser Zeit meinen Horizont noch erweitert.“

Felix Magath hat 1983 mit einem traumhaften Fernschuss zum 1:0-Sieg über Juventus Turin den Hamburger SV zum Sieg im Europapokal der Landesmeister geschossen, als Trainer erweckte er zwischen 2001 und 2004 den VfB unter dem Label der jungen Wilden zu neuem Leben. Er feierte mit den Stuttgartern rauschende Nächte in der Champions League, holte später mit dem FC Bayern zweimal das Double – und führte den VfL Wolfsburg 2009 sensationell zur Meisterschaft.

Disziplin ist für Magath selbstverständlich

Und dennoch hat sich nicht nur ein Großteil der Hertha-Fans verwundert bis entsetzt die Augen gerieben, als klar war, dass sich Fredi Bobic, der Geschäftsführer Sport bei den Berlinern, für den alten Trainerhaudegen (Spitzname Quälix) als Nachfolger des geschassten Tayfun Korkut entschieden hat. Schließlich gilt der als Schleifer verschriene Magath („Disziplin gehört nun mal zum Sport, das habe ich nicht erfunden“), der zuletzt den chinesischen Erstligisten Shandong Taishan trainierte und als Berater für die Würzburger Kickers tätig war, für viele als kaum mehr zeitgemäßes Auslaufmodell.

Fredi Bobic sieht das komplett anders. „Felix Magath ist eine starke Persönlichkeit, die sich mit allem einsetzt, was sie hat. Er steht für Disziplin und hat auch eine harte Hand“, sagte Bobic. Tatsächlich gilt Magath, für den der Schotte Mark Fotheringham als Co-Trainer arbeiten wird, nicht gerade als Spielerversteher. Doch der ehemalige Mittelfeldregisseur, der als Spieler Europameister und zweimal Vizeweltmeister wurde und dabei eher ein Schöngeist war, kehrt auf seiner Berliner Mission zu den Wurzeln seiner Trainerkarriere zurück. Schließlich arbeitete Magath zunächst beim HSV, in Nürnberg oder Frankfurt als Feuerwehrmann, ehe er beim VfB in die erste Etage der Trainerriege aufstieg.

Als „Schönheitsfleck“ bezeichnete Magath den aktuellen Umstand, dass die Hertha-Profis an seinem ersten Arbeitstag freihatten. Denn mit Blick auf das erste Endspiel unter seiner Leitung am Samstag zu Hause gegen die TSG Hoffenheim hätte Magath („Ich muss ein Gefühl für die Spieler kriegen – sie sehen, hören und mit ihnen sprechen“) am liebsten gleich losgelegt.

Der Geldgeber ist unzufrieden

Klar ist, dass sich durch das komplett gescheiterte Engagement von Tayfun Korkut (nur 0,69 Punkte pro Spiel, kein Sieg in 2022) und seine Entscheidung pro Magath als dritten Hertha-Trainer dieser verkorksten Saison auch der Druck auf Fredi Bobic erhöht hat. Schließlich weiß der Geschäftsführer Sport wie der gesamte Verein mit Lars Windhorst einen erzürnten Geldgeber im Hintergrund.

Zuletzt lieferte sich der Investor, dessen 375 Millionen Euro starke Finanzspritze ohne nachhaltigen Effekt geblieben ist, ein Scharmützel mit einem Fanclub auf Twitter. Der hatte behauptet, Windhorst selbst habe mit seiner Entscheidung pro Jürgen Klinsmann Millionen verbrannt. „Ich bin amüsiert und zugleich entsetzt über den Schwachsinn, den Sie hier verbreiten“, antwortete der Investor – und verwies darauf, dass die Verpflichtung von Klinsmann die Idee des Ex-Geschäftsführers Michael Preetz gewesen sei.

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„Bislang hat mir das Investment bei Hertha nur Nachteile gebracht. Ich lasse mir von niemandem dort 375 Mio. Euro verbrennen und werde niemals aufgeben“, das hatte Lars Windhorst zuvor dem Finanzmagazin „Capital“ gesagt. Wenig später ließ er die Dokumentation über das Innenleben der Hertha stoppen. Unter anderem, weil der 45-Jährige in diversen Szenen nicht gut wegkam. Bisher hat Windhorst den Hertha-Präsidenten Werner Gegenbauer als seinen Hauptgegner ausgemacht.

Otto Rehhagel scheitert 2012

Bereits 2012 hatte es die Hertha mit einem Trainerguru versucht, der zuvor elf Jahre nicht in der Bundesliga trainiert hatte. Der damals 73 Jahre alte „König Otto“ Rehhagel übernahm damals als Nachfolger des nach der Vorrunde gescheiterten Markus Babbel auf Platz 15, rutschte auf den Relegationsrang – und stieg letztlich mit den Berlinern ab. Sollte diesmal der Schachzug mit Magath scheitern, dürfte es vor allem für Fredi Bobic ungemütlich werden.

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