Die Gastronomie befindet sich in der Krise. Eine Mehrwertsteuersenkung auf Speisen soll den betroffenen Betrieben helfen. Foto: dpa/Sina Schuldt
Die Gewerkschaft NGG warnt vor Mitnahmeeffekten für die Gastronomen. Wirte aus dem Kreis Ludwigsburg weisen den Vorwurf scharf zurück. Die Preise senken sie wohl trotzdem nicht.
Wer in nächster Zeit ins Restaurant geht, sollte die Speisekarte abfotografieren. Das jedenfalls rät die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Stuttgart, zu der der Kreis Ludwigsburg gehört. Denn wenn wie geplant zum 1. Januar 2026 die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent sinkt und die Preise trotzdem gleich bleiben, könne man beim Wirt nachhaken: „Wo sind die zwölf Prozent geblieben?“
Mit ihrer Pressemitteilung hat die Gewerkschaft die Debatte um die geplante Mehrwertsteuersenkung nochmal befeuert. Soll sie so ausgestaltet werden, dass die Preise für die Kunden sinken – oder dass sie nicht noch weiter steigen? Die NGG befürchtet „Mitnahmeeffekte“ für die Gastronomen. Während die Kreisstelle des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) auf die existenzielle Krise in der Branche hinweist, erklären zwei Gastronomen aus Ludwigsburg und Freiberg, wofür sie die Steuersenkung nutzen werden. Und das alles, obwohl die Steuererleichterung noch nicht einmal beschlossen ist.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil fordert Weitergabe an Kunden
In ihrem Koalitionsvertrag hatte sich die schwarz-rote Bundesregierung darauf geeinigt, die Ungleichbehandlung in der Gastronomie zu beenden. Ab kommendem Jahr soll der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent auch dann gelten, wenn die Gäste vor Ort essen – und nicht nur für Essen to go. Bereits während der Corona-Pandemie war die Mehrwertsteuer gesenkt worden, zum Jahresende 2023 lief die befristete Regelung aus. Nun soll der ermäßigte Steuersatz dauerhaft gelten.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte zuletzt darauf gepocht, dass die Steuersenkung die Verbraucher entlasten solle. Er werde sehr genau darauf achten, „dass die Preissenkungen, die durch die Mehrwertsteuersenkung entstehen, auch wirklich bei den Kundinnen und Kunden ankommen und dann die Preise bezahlbarer werden“, sagte der SPD-Chef. Die NGG befürchtet aber, dass kein „Schnitzel-Rabatt“ zu erwarten sei.
„Wer hofft, dass damit auch Schnitzel, Gulaschsuppe, Kaiserschmarrn & Co. billiger werden, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gastronomen werden viele fadenscheinige Gründe finden, warum sie die zwölf Prozent dringend brauchen – und zwar für den Betrieb, für sich selbst“, sagt die Geschäftsführerin der NGG Stuttgart, Magdalena Krüger.
Die Pressemitteilung der NGG hat wiederum scharfen Protest des Gastro-Verbands Dehoga hervorgerufen. „Diese Aktion ist kontraproduktiv“, entgegnet Marcos Angas, Vorsitzender der Kreisstelle Ludwigsburg. „Wir haben erhöhte Kosten im Einkauf sowie erhöhte Personalkosten durch den neuen Tarifvertrag und den neuen Mindestlohn. Das zu kompensieren wird schon einen Großteil der zwölf Prozent auffressen. Große Preissenkungen sind da eher nicht zu erwarten.“
Immer mehr Restaurants müssten schließen. „Um diese Entwicklung in den Griff zu bekommen, ist es notwendig, dass man versucht, die Preise zumindest stabil zu halten“, sagt Angas. Bei der Gastronomie handle es sich um eine Branche, die um ihr Überleben kämpfe. „Da geht es nicht darum, dass man sich zwölf Prozent in die Tasche steckt, um sich ein neues Auto zu kaufen. Sondern da geht es ganz klar darum, dass man überhaupt noch existieren kann.“
Der ausgebildete Hotelfachmann Marcos Angas ist seit 2021 Kreisvorsitzender der Dehoga in Ludwigsburg. Foto: Dehoga Kreisstelle Ludwigsburg
Der Dehoga empfiehlt daher seinen Mitgliedsbetrieben, nicht in Panik zu verfallen und aus Angst vor der Wut der Kunden die Preise zu senken. Noch dazu sei die Erfahrung, dass auch Preissenkungen verloren gegangene Kundschaft nicht wieder zurückhole, erklärt Angas. Gerade Restaurantbesuche seien einer der ersten Posten, an denen in einer schwierigeren Wirtschaftslage als Erstes gespart werde.
Gastronomen zeigen sich skeptisch im Hinblick auf Preissenkungen
Die Gastronomen im Kreis Ludwigsburg sehen das ähnlich. Peter Buhl leitet seit mittlerweile 40 Jahren das Traditionslokal „Post Cantz“ in der Eberhardstraße. Bei ihm gibt es klassische schwäbische Küche, von Gaisburger Marsch bis hin zum Zwiebelrostbraten. Diese breite Aufstellung kommt ihm aktuell zugute: „Wir spüren eine gewisse Zurückhaltung. Die Leute kommen trotzdem, aber sie geben nicht mehr so viel aus.“ In diesem Jahr würden die günstigeren Gerichte deutlich besser laufen als die teureren.
Was die Mehrwertsteuersenkung anbelangt, will Buhl noch die konkrete Umsetzung abwarten. Schon jetzt steht für ihn aber fest: „Wir werden ab 1. Januar auf jeden Fall nicht teurer und ich werde versuchen, hier und da ein wenig zu reduzieren. Aber zwölf Prozent sind unmöglich.“ Aussagen wie die von Lars Klingbeil findet er widersprüchlich: „Sie sagen, sie wollen uns damit helfen. Gleichzeitig sollen wir aber sofort die Preise reduzieren. Das ist verrückt.“
Auch Alexander Neuberth, Inhaber des Restaurants Schwabenstuben in Freiberg, sieht keinen großen Spielraum für Preissenkungen: „Unser Ziel ist es, Gäste nicht zusätzlich zu belasten. Die Senkung soll verhindern, dass wir Preise anheben müssen.“
Auch er spürt, dass seine Kunden verstärkt auf die Preise achten. Was er sich von der Politik wünscht? „Wir brauchen weniger Bürokratie und eine klare, dauerhafte Mehrwertsteuersenkung – damit wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können: gute Gastgeber zu sein.“