Präsident Erdogan droht sich an diversen Fronten zu verheddern. Die Türkei muss die Zahl ihrer Streitfälle minimieren, sonst verliert sie die Kontrolle.

Istanbul - In ihrer wachsenden Wut auf die USA und ihrer Weigerung, zur finanz- und wirtschaftspolitischen Vernunft zurückzukehren, gleicht die türkische Regierung einer Zeichentrickfigur, die über den Rand des Abgrundes hinausgejagt ist und jetzt für einige Sekunden in der Luft rudert: Die harte Landung ist absehbar. Präsident Erdogan sagt nicht nur Donald Trump den Kampf an, sondern auch den internationalen Finanzmärkten. Die Leidtragenden sind türkische Bürger, deren Ersparnisse dahinschmelzen. Sie werden ihre Gürtel enger schnallen müssen.

 

Verstärkt wird die politische Misere durch das neue Präsidialsystem

Viele Probleme sind hausgemacht. In den Jahren des billigen Geldes hat die Türkei strukturelle Reformen verschlafen, die jetzt eine Krise mildern könnten. Verstärkt wird die politische Misere durch das neue Präsidialsystem. Ähnliches gilt für seine Außenpolitik. Im Streit mit den USA hat Erdogan hoch gepokert: Seine Regierung versuchte, im Gegenzug für eine Freilassung des US-Pastors Brunson von Washington weitreichende Zugeständnisse zu erhalten, und ist dabei gescheitert. Auch in den Beziehungen zu Europa sind Turbulenzen und Eskalationen trotz aller Bemühungen beider Seiten um eine Normalisierung möglich. Die Türkei – so zeigt sich an der ersten ernsten Bewährungsprobe für das neue Präsidialsystem – ist unberechenbarer geworden.