Im Streit über die Freilassung des US-Pastors Andrew Brunson hat offenbar auch das Schicksal einer Türkin in Israel eine Rolle gespielt.

Istanbul - Als die Türkin Ebru Özkan im Juni am Flughafen von Tel Aviv festgenommen wurde, konnte sie nicht ahnen, dass ihr Schicksal bald mit dem eines christlichen Geistlichen und der internationalen Politik verknüpft sein würde. Der israelische Geheimdienst ließ Özkan unter dem Vorwurf einsperren, sie habe der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen und damit einem Todfeind Israels geholfen. Erst mehr als einen Monat später konnte die 27-Jährige nach Hause fliegen – ihre Heimkehr war Teil eines internationalen Kuhhandels, der zur Freilassung des amerikanischen Pastors Andrew Brunson in der Türkei führen sollte – am Ende aber an türkischen Nachforderungen scheiterte.

 

Rechtsstaatliche Prinzipien spielten bei dem Politpoker kaum eine Rolle.   US-Präsident Donald Trump hat in einem Interview erstmals bestätigt, wie die Geheimverhandlungen mit der Türkei über Brunson in den vergangenen Wochen abliefen. Trumps Schilderungen und Äußerungen seines türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan gewähren einen Einblick in die Hinterzimmer der internationalen Diplomatie, in denen ungeachtet aller öffentlichen Bekenntnisse zur Unabhängigkeit der Justiz über politische Deals verhandelt wird.

Westliche Häftlinge als politische Geiseln?

Beim Nato-Gipfel am 11. Juli bat Erdogan den US-Präsidenten um Hilfe im Fall Özkan. Damals war das Verhältnis zwischen den beiden Staatschefs noch in Ordnung: Trump lobte Erdogan öffentlich mit den Worten, der autokratische türkische Präsident mache alles richtig.   Nach seinem Treffen mit Erdogan in Brüssel war Trump nach eigenen Worten sicher, sich mit der türkischen Seite auf einen Deal verständigt zu haben: Er selbst sollte für Özkans Freilassung sorgen, dann werde Erdogan den Pastor ziehen lassen. Die US-Regierung dringt seit Langem auf die Freilassung des Missionars, der seit fast zwei Jahren unter fragwürdigen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft sitzt.

Kritiker werfen Erdogan vor, westliche Häftlinge als politische Geiseln zu benutzen.   Wie von Erdogan gewünscht, bat Trump den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, für Özkans Freilassung zu sorgen. Netanjahu handelte sofort. Obwohl gegen die Gaza-Aktivistin vier Anklagepunkte vorlagen und obwohl Özkan vom Geheimdienst als mutmaßliche Bedrohung für die nationale Sicherheit Israels beschrieben wurde, saß sie am 15. Juli, vier Tage nach dem Brüsseler Treffen von Trump und Erdogan, in einem Flugzeug in die Türkei.   „Ich habe diese Person für ihn rausgeholt“, sagte Trump.

Es werde keine Zugeständnisse mehr geben

Drei Tage nach Özkans Heimkehr stand im westtürkischen Izmir ein Gerichtstermin für Pastor Brunson an, bei dem Washington fest mit der Freilassung des Missionars rechnete. Trump fiel aus allen Wolken, als das türkische Gericht die Untersuchungshaft für Brunson verlängerte.   Als Zeichen ihrer Gesprächsbereitschaft ließen die türkischen Behörden den angeklagten Priester am 25. Juli aus dem Gefängnis in Hausarrest überstellen, doch für Trumps Regierung war das zu wenig. Der Besuch einer türkischen Regierungsdelegation in Washington brachte keinen Durchbruch.   Laut Erdogan stellte Trump der Türkei schließlich ein Ultimatum für Brunsons Freilassung, doch Ankara ließ die Frist vom 8. August verstreichen.

Zwei Tage später verkündete Trump seine Wirtschaftssanktionen, die den Kurs der türkischen Lira in den Sinkflug schickten. Inzwischen droht Washington mit zusätzlichen Strafmaßnahmen. Gegenleistungen für Brunsons Freilassung lehnt Trump nun ab: Es werde keine Zugeständnisse mehr geben.   Erdogans Regierung bestreitet, dass sie Brunsons Freilassung fest zugesagt habe. Nach Medienberichten wollte Ankara nicht nur die Aktivistin Özkan freibekommen, sondern auch durchsetzen, dass die amerikanischen Behörden laufende Ermittlungen gegen die türkische Staatsbank Halkbank wegen Verletzung amerikanischer Iran-Sanktionen einstellen. Auf die Bank könnten Geldstrafen in Milliardenhöhe zukommen. Trumps Regierung habe diese türkische Forderung abgelehnt, meldete das „Wall Street Journal“.   Nun geben sich beide Präsidenten kompromisslos.