Portugal steht am Scheideweg. Die Regierung tritt auf wie ein Musterschüler, der aus seinen Fehlern gelernt hat. Nun gehe es endlich aufwärts. 2014 will sie den Rettungsschirm partout verlassen. Doch die politische Stabilität ist in Gefahr.

Lissabon - Es scheint, als sei die bisher unverkennbare Geduld der Portugiesen erschöpft – mittlerweile wird jede Woche an diversen Orten ein kleiner Aufstand geprobt. Zuletzt traten Staatsbedienstete aus Schulen, Krankenhäusern, Müllabfuhr und Justiz in einen 24-stündigen Streik. Kurz zuvor hatten die Transportarbeiter den U-Bahnverkehr in Lissabon blockiert. Generalstreiks sind sehr selten, doch schon die vermehrten Nadelstiche der Gewerkschaften verwunden das öffentliche Leben zusehends.

 

Droht den Regierenden die Situation zu entgleiten? Darauf gibt es keine klare Antwort. Der Staatspräsident besänftigt: „Wir sind total gegen Gewalt“, sagt Anibal Cavaco Silva vor deutschen Journalisten. Es gebe zwar Proteste, doch in anderen Ländern würde eben noch mehr protestiert. Silva meint, sein Volk werde ruhig bleiben. Sicher ist er sich dessen offenbar nicht. Man müsse den Menschen die Hoffnung geben, „dass Licht am Ende des Tunnels sichtbar wird“, sagt er. Seit 2006 ist Silva Staatspräsident. Von 1985 bis 1995 war er Premierminister – in den goldenen Jahren, als man dank der EU-Subventionen viele Milliarden in die heute üppige Infrastruktur und den aufgeblähten öffentlichen Dienst steckte, zugleich aber auch eine wachsende Verschuldung in Kauf nahm. Nun muss er den Menschen die Auswirkungen früherer Fehler erklären – der Präsident sitzt zwischen den Stühlen.Das heute ärmste Land Westeuropas ächzt schwer unter den Sparmaßnahmen. Notwendig gemacht hat sie der im Mai 2011 für drei Jahre vereinbarte Notkredit der EU und des internationalen Währungsfonds in Höhe von 78 Milliarden Euro. Der Haushaltsentwurf für 2014 bringt jetzt die härteste Belastungsprobe. Die Nachfahren der großen Seefahrer seien ein stolzes Volk. Es sei „Ehrensache“ für die Portugiesen, den Kredit an Europa zurückzuzahlen, sagt Paulo Coelho, der als Reiseführer seit zwei Jahrzehnten im Land herumkommt. Doch wenn die Grenze des Zumutbaren erreicht sei, gebe es Unruhen. „Ich fürchte, sie ist nicht mehr weit“, prophezeit er.

Proteste gegen die Regierung und die Troika

An vielen zentralen Plätzen Lissabons hat der „Linke Block“ Großplakate aufhängen lassen: „Schuldenschnitt – die Renten gehören den Arbeitern. Passos/Troika raus!“ Nicht nur gegen Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, den Chef der Mitte-rechts-Regierung, richtet sich die Wut. Auch die Troika aus EU-Kommission, EZB und Währungsfonds steht immer mehr im Feuer. Das hat sogar Vorteile: Indem die Troika die Sündenbockrolle übernimmt, kann die Regierung die Einschnitte als unabwendbar darstellen.