Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Seit seiner unvermittelten Berufung zu Merkels Kanzlerboten im November 2011 findet der Parlamentarische Staatssekretär des Arbeitsministeriums keine Ruhe mehr. Fast ein Dutzend Mal war er seither mit Gefolge im Krisenstaat, um den – wie er auf gut Schwäbisch stets verkündet – „Nau-hau-Transfer“ zu befördern. Die kommunalen Erfahrungen in Deutschland seien eine Schatzkiste, sagt er, und die müsse nun zum Wohle der Griechen geöffnet werden.

 

Nach eineinhalb Stunden haben sich die neuen Partner auf Thassos erfolgreich beschnuppert. Bald werden Dembeck und Chatziemmanouil ihr Miteinander vertiefen. Auf dem Weg zum Hafen ergreift Fuchtel jede Hand, die sich ihm bietet. Nachdem er eine verschüchterte Familie auf ihrem Balkon angesprochen hat, bemerkt er: „Das war jetzt ganz toll – kein Wort von bösen Deutschen.“ Die Passage zur Insel am Vorabend hat er auf Einladung des Reedereichefs Ioannis Tsoupras auf der Kommandobrücke bestritten. Auf der Rückfahrt grübeln sie auf dem sonnenbeschienenen Deck, wie sich Thassos vermarkten lässt. Da geht es um den weißen Marmor, der für alle Besucher sichtbar gemacht werden soll – aber auch um eine „Freundschaftsallee“ mit schwäbischen Bäumen. Längst hat Fuchtel die Zusage in der Tasche, dass der Reeder später Reutlinger Altfahrzeuge kostenfrei nach Thassos übersetzen wird.

Merkels Navigationssystem

Am Festland eilt die knapp 40-köpfige Gruppe im Konvoi mit viel Blaulicht vorne und hinten zum nächsten Termin. Die von ganz oben angeordnete, aufwendige Polizeieskorte ist mehr eine Auszeichnung Fuchtels als ein Schutz vor Übergriffen. Doch sie hilft, all die Treffen an den drei Tagen unter einen Hut zu bekommen.

Der 61-jährige Fuchtel ist Merkels Navigationssystem im griechischen Gestrüpp aus Aufbaumentalität und Depression. Kurz vor der Abreise war noch der Österreicher Wolfgang Schüssel in Berlin, hat erst mit Fuchtel, dann mit Merkel geredet. Der frühere Bundeskanzler will das deutsch-griechische Modell – die Kooperation von unten – auf ganz Europa übertragen. Das freut den Calwer Abgeordneten genauso wie die beiden alten Damen vor dem Büro des Textilverbandes in Thessaloniki, die ihn aus dem Fernsehen wiedererkennen. „Ich bin hier der berühmteste Deutsche nach der Kanzlerin“, sagt Fuchtel. Seine Interviews vor Ort mit Kamerateams zählt er mit: „Wir sind jetzt bei 113 angekommen“, hält er fest.

„Kein Wort von bösen Deutschen“

Seit seiner unvermittelten Berufung zu Merkels Kanzlerboten im November 2011 findet der Parlamentarische Staatssekretär des Arbeitsministeriums keine Ruhe mehr. Fast ein Dutzend Mal war er seither mit Gefolge im Krisenstaat, um den – wie er auf gut Schwäbisch stets verkündet – „Nau-hau-Transfer“ zu befördern. Die kommunalen Erfahrungen in Deutschland seien eine Schatzkiste, sagt er, und die müsse nun zum Wohle der Griechen geöffnet werden.

Nach eineinhalb Stunden haben sich die neuen Partner auf Thassos erfolgreich beschnuppert. Bald werden Dembeck und Chatziemmanouil ihr Miteinander vertiefen. Auf dem Weg zum Hafen ergreift Fuchtel jede Hand, die sich ihm bietet. Nachdem er eine verschüchterte Familie auf ihrem Balkon angesprochen hat, bemerkt er: „Das war jetzt ganz toll – kein Wort von bösen Deutschen.“ Die Passage zur Insel am Vorabend hat er auf Einladung des Reedereichefs Ioannis Tsoupras auf der Kommandobrücke bestritten. Auf der Rückfahrt grübeln sie auf dem sonnenbeschienenen Deck, wie sich Thassos vermarkten lässt. Da geht es um den weißen Marmor, der für alle Besucher sichtbar gemacht werden soll – aber auch um eine „Freundschaftsallee“ mit schwäbischen Bäumen. Längst hat Fuchtel die Zusage in der Tasche, dass der Reeder später Reutlinger Altfahrzeuge kostenfrei nach Thassos übersetzen wird.

Merkels Navigationssystem

Am Festland eilt die knapp 40-köpfige Gruppe im Konvoi mit viel Blaulicht vorne und hinten zum nächsten Termin. Die von ganz oben angeordnete, aufwendige Polizeieskorte ist mehr eine Auszeichnung Fuchtels als ein Schutz vor Übergriffen. Doch sie hilft, all die Treffen an den drei Tagen unter einen Hut zu bekommen.

Der 61-jährige Fuchtel ist Merkels Navigationssystem im griechischen Gestrüpp aus Aufbaumentalität und Depression. Kurz vor der Abreise war noch der Österreicher Wolfgang Schüssel in Berlin, hat erst mit Fuchtel, dann mit Merkel geredet. Der frühere Bundeskanzler will das deutsch-griechische Modell – die Kooperation von unten – auf ganz Europa übertragen. Das freut den Calwer Abgeordneten genauso wie die beiden alten Damen vor dem Büro des Textilverbandes in Thessaloniki, die ihn aus dem Fernsehen wiedererkennen. „Ich bin hier der berühmteste Deutsche nach der Kanzlerin“, sagt Fuchtel. Seine Interviews vor Ort mit Kamerateams zählt er mit: „Wir sind jetzt bei 113 angekommen“, hält er fest.

Treffen mit Exzentrikern

In der mit 350 000 Einwohnern zweitgrößten Stadt des Landes trifft Fuchtel den exzentrischen Bürgermeister Giannis Boutaris. Der parteilose 70-Jährige ist mit seinem unkonventionellen Politikstil ein Hoffnungsträger vieler Griechen und Deutschen.

Der Mann ist mehrfach tätowiert und trägt den Schmuck seiner verstorbenen Frau. Er führte ein international prämiertes Weingut und verfiel zwischenzeitlich dem Alkohol. Er regiert mit Blick auf das Meer und den Olymp, entschuldigt sich aber für sein Büro, das sein Vorgänger so großzügig gestaltet habe. „Da bekommt man einen Eindruck, wie die Dinge hier früher gehandhabt wurden“, sagt Boutaris – wie meistens mit leiser Stimme.

Deutsche als Kannibalen

„Wir verstehen uns blind“, sagt der Schwabe über ihn – „es war Liebe auf den ersten Blick“, erwidert der Gastgeber. Gemeinsam eröffnen sie das deutsch-griechische Bürgermeisterbüro, in dem sich Behördenleiter nun die Klinke in die Hand geben sollen, um Amtshilfe zu leisten. Das sei einzigartig in Europa, schwärmt Fuchtel. Nach all der Pionierarbeit werde „ein Traum wahr“. Boutaris will damit der Boulevardpresse etwas entgegensetzen, die in Deutschland die Griechen als faul und korrupt beschreibe – während die Deutschen in seiner Heimat „als Kannibalen gelten, die sich in Europa breitmachen“.

Der Tiefpunkt des wirtschaftlichen Absturzes sei noch nicht erreicht, klagen etliche. In der Region Westmakedonien, der nächsten Station der deutschen Delegation, beträgt die Arbeitslosigkeit fast 30 Prozent. Von den jungen Menschen bis 29 Jahre haben sogar 72 Prozent keinen Job, weshalb die Cafés tagsüber rappelvoll sind. Dennoch ist es nur eine kleine Truppe von etwa 25 Kommunisten, die vor der Handelskammer in Kozani ihrem Unmut Luft macht. Die Demonstranten schreien gegen das Unternehmertum und den Kapitalismus an. Für den Staatssekretär interessieren sie sich im Grunde nicht.

„Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg“

Dessen Rezept zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist die Übertragung des dualen Ausbildungssystems auf Griechenland. Folglich schaut mancher Gesprächspartner eher fragend drein. Doch bald sollen die Griechen im eigenen Land sehen, wie es funktioniert. Die Frankfurterin Kalliopi Charitonidou hat mit Fuchtels Unterstützung und europäischen Hilfsgeldern zwei Pilotprojekte für das Tourismusgewerbe in Athen und Kreta initiiert.

Boutaris zweifelt noch an der Umsetzung. Das deutsche System sei gut, sagt er. Doch das Ministerium für Bildung in Athen sei „eine konservative Festung“. Auch Martin Schlegel, Vizepräsident der Handwerkskammer Karlsruhe, hält die Übertragung für ein langfristiges Projekt. Daher bietet er die Ausbildung junger Griechen in deutschen Betrieben an. Deren Bedarf sei akut – und die Gastlehrlinge könnten sich später daheim selbstständig machen.

Fuchtel prescht voran

Doch Fuchtel prescht voran. „Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg“, urteilt er knapp. Auf längeren Autofahrten vermag er ohne Punkt und Komma zu erzählen – über seine Leidenschaft für Kamele etwa. Der Mann ist Ehrenpräsident des Kamelvereins Fata Morgana. Als Helmut Kohl ihn im September vorigen Jahres beim Besuch der Bundestagsfraktion entdeckte, fragte er als   Erstes: „Was machen die Kamele im Schwarzwald?“ 1997 hatte Fuchtel für den damaligen Kanzler mit einem weltweit beachteten Kamelrennen in Berlin heiß ersehnte arabische Investoren angelockt.

Wenn es um Griechenland geht, ist ihm Herumgerede ein Graus. Immer wieder treibt er die Redner der Delegation an, sich kürzer zu fassen. Seine Ungeduld bekommt jeder zu spüren, der sein Tempo nicht mitgeht. Gesprächspartnern wie dem Honorarkonsul Stamatios Kouroudis bleiben nur Minuten, um Vorschläge anzubringen. Viele Menschen würden fragen, wo die Investitionen aus Deutschland blieben, erwidert dieser. Doch die kann und will Fuchtel nicht bieten. „Es geht nicht immer nur um Invest, Invest“, kontert er. „Griechenland braucht die Stärkung von der Wurzel her.“

Weihnachtsmarkt und Freundschaftskrawatten

Ständig kommt ihm Neues in den Sinn, was er anleiern könnte: einen Weihnachtsmarkt etwa. Oder eine Freundschaftskrawatte. Aber auch Wichtiges wie eine Müllsortierung nach deutschem Muster. Seine Arbeit besteht aus „Dialog, Netzwerk und Avanti“. Im November hatte Fuchtel mit einem gewagten Satz zum aufgeblähten öffentlichen Dienst in Griechenland Missfallen erregt – bei einer Demonstration flog tags drauf ein Kaffeebecher auf den deutschen Generalkonsul. Nun pflegt Fuchtel höchste Diplomatie, um niemandem das Gefühl zu geben, er würde bevormundet. Die Griechen seien ein „stolzes Volk“ und sollen erkennen, dass sie selbst entscheiden. „Politik auf Augenhöhe“ ist die Devise.

Gegen Ende der Tour besucht die Gruppe in Xanthi die Firma Coco-Mat, einen expandierenden Matratzenhersteller. Weil die Firma strikt Naturmaterialien verarbeitet, hält dessen Gründer Paul Efmorfidis seine Produkte überschwänglich für die besten der Welt. Sein Vater hat einst in Ostfildern gelebt und für die US-Armee gearbeitet. Der Sohn macht nun als Unternehmer Karriere. Sein Erfolg hat aber einen Preis. Eine Näherin sagt am Rande, dass sie 504 Euro im Monat verdiene.

„Das bringe ich Frau Merkel!“

Am Firmeneingang erregen Holland-Fahrräder, die unter dem Namen Coco-Mat vertrieben werden, das Interesse der Deutschen. Binnen Minuten sind sechs Gefährte verkauft. Auch Fuchtel, der mit einem Gewicht von 130 Kilogramm im Schwarzwald das E-Bike bevorzugt, legt sich für Berlin ein Rad zu. Ein orthodoxer Geistlicher, der kurz zuvor die Kooperation gesegnet hat, verabschiedet sich rasch, denn er wird nicht mehr benötigt. Kurz darauf erhält Fuchtel von einer Mitarbeiterin ein großes helles Herz aus Textilresten: „Das bringe ich Frau Merkel“, ruft er freudig aus.

Nach dreitägigem Kriseneinsatz landet Fuchtel am Stuttgarter Flughafen. Gleich nach der Ankunft setzt er im Dienstauto ein Bulletin für das Kanzleramt ab. „Morgen habe ich wieder anderes zu tun“, sagt er. Angela Merkel treffe er in der neuen Woche ohnehin wieder. Ständig lasse sie sich über die Fortschritte unterrichten. Am Abend will Fuchtel eine Rede für einen befreundeten Jubilar in Calmbach halten – als Mediziner verkleidet. Sollte die Daueroperation gelingen und Griechenland irgendwann auf die Beine kommen, hat dies auch mit dem politischen Notarzt aus Calw zu tun.