Die Corona-Krise spitzt sich auch in Stuttgart weiter zu. Die Stadt hat weitere Einschränkungen beschlossen. Im Reitstadion wurde eine vierte Corona-Ambulanz eingerichtet. Die Stadtverwaltung kritisiert: Noch immer nähmen nicht alle das Problem ernst genug.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Stadtverwaltung hat wegen der Coronakrise weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens beschlossen. Mit gutem Grund. Inzwischen hat die Stadt auf der vierteiligen Leiter, mit der Krisenfälle kategorisiert werden, die letzte Stufe unterhalb des Katastrophenfalls erreicht. Entsprechend wird der existierende und täglich tagende Krisenstab aufgestockt und um Vertreter von Polizei und Feuerwehr ergänzt.

 

Die Verschärfung der Lage lässt sich einfach in einer Zahl ausdrücken: Am Montagabend meldete die Stadt 284 Infizierte mit dem Coronavirus, das ist ein geradezu sprunghafter Anstieg. Am Wochenende waren es noch 150 gewesen.

Angesichts dieser überaus stark wachsenden Zahl von Infektionsfällen wird in der Landeshauptstadt auch eine zusätzliche Corona-Ambulanz eingerichtet, wo Menschen im Verdachtsfall getestet werden. Am Montagnachmittag hat das Deutsche Rote Kreuz im Reitstadion im Neckarpark mit dem Aufbau eines weiteren Abstrichzentrums begonnen. Es ist neben denen im städtischen Klinikum, dem Robert-Bosch-Krankenhaus und dem Marienhospital das vierte.

Steigende Zahlen im KH

Beispielhaft zeigt sich die Entwicklung in der Corona-Ambulanz des Katharinenhospitals (KH). Dort ist die Zahl der Menschen, die getestet werden, nochmals auf mehr als 200 am Tag gestiegen. Und im KH sind gegenwärtig neun Patienten mit Covid-19 stationär aufgenommen, fünf davon seien noch in diagnostischer Klärung, sagte Sprecher Hartmut Kistenfeger. Zuvor hatten die Stuttgarter Krankenhäuser eine deutlich geringen Zahl von Covid-19-Patienten und nur mit milden Fällen der Krankheit zu tun.

Am Montag hat die Verwaltung weitere Einschränkungen für die Bürger beschlossen, die vor allem auch Dienstleistungen der Stadt selbst betreffen. So ist etwa das Stadtmessungsamt bis auf Weiteres geschlossen. Anliegen können persönlich nur noch nach vorheriger Vereinbarung vorgetragen werden. Gleiches gilt für die Zulassungsstelle für Fahrzeuge sowie für die dortige Führerscheinstelle, ebenso für das städtische Umweltamt und für das Amt für Stadtplanung und Wohnen.

Heiraten nur noch im kleinen Kreis

Auch wer in diesen bewegten Zeiten heiraten will, kann dies nur noch unter Einschränkungen tun. Das Standesamt der Stadt ist geschlossen worden. Trauungen seien zwar noch möglich, sagte Stadtsprecher Sven Matis, aber nur, „wenn maximal zehn Personen anwesend sind“. Am Montag hat die Verwaltung außerdem den Betrieb von Spielhallen und Wettbüros verboten.

Das war Ende der vorigen Woche, als die Stadt unter anderem schon den Betrieb von Bars, Kinos und Museen untersagt hat, noch anders. Die Spielhallen waren bis Montag noch offen, unter anderem weil laut Spielverordnung dort nur maximal zwölf Geräte und nur ein Gerät auf zwölf Quadratmeter aufgestellt werden darf, es überdies Regelungen zum Mindestabstand und zu Trennwänden zwischen den Geräten gibt. Deshalb, so die Annahme vorige Woche, trete keine größere Ansammlung von Personen auf. Auch diese Regelung ist angesichts der steigenden Corona-Infektionen hinfällig.

Verhältnismäßigkeit wahren

Dass die Stadt seit Samstag den gesamten Trainings- und Sportbetrieb in Stuttgart untersagt hat, wird auch für Vereine zu einem wachsenden Problem. Vermehrt wenden sich offenbar Mitglieder deshalb mit der Rückforderungen ihrer Beiträge an die Vereine, wie die Verwaltung erklärt. Martin Schairer (CDU), Bürgermeister für Sicherheit, Ordnung und Sport, appelliert daher an die Menschen: „Die getroffenen Maßnahmen zum Sportbetrieb treffen alle Vereinsmitglieder. Doch Rückforderungen von Beiträgen bringen viele Vereine an wirtschaftliche Grenzen.“ Dies bedrohe „die Existenz der Vereine“. Schairer bittet deshalb die Betroffenen: „Sehen Sie derzeit von Rückforderungen ab.“ Auch in diesem Sinne sei gegenwärtig Solidarität gefragt, „damit unsere Vereine überleben und wir in Zukunft wieder Sport treiben können.“

Zum Schutz der Bevölkerung vor Corona-Infektionen hat die Stadt den gesamten Trainings- und Sportbetrieb in allen Turn- und Sporthallen, auf allen Vereinssportanlagen, in sonstigen Vereinsräumen und in Fitnessstudios aller Art untersagt. Damit soll erreicht werden, dass der enge Kontakt beim Sport in Vereinen oder Studios unterbunden wird und sich das Coronavirus nicht verbreiten kann.

Stadt appelliert an die Bürger

Der Ernst der Lage scheint aber noch nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern erfasst worden zu sein, trotz der eindringlichen Appelle des Gesundheitsamts gerade vor dem zurückliegenden Wochenende. So war man in der Stadtverwaltung nicht erfreut darüber, dass etwa auf der Königstraße, dem Marienplatz und dem Schlossplatz und in den dortigen Lokalen wegen des guten Wetters „sehr viel los war“, so Pressesprecher Sven Matis. Dabei beginne die „exponentielle Phase“ mit stark steigenden Infektionszahlen erst. Matis betonte, die Menschen sollten sich derzeit nur daheim oder in ihrem engsten Umfeld bewegen. „Sonst wird sich das Coronavirus auf dramatische Weise ausbreiten“, erklärte er eindringlich.

Weitere Absagen betreffen das Messegeschehen in der Landeshauptstadt. Als Konsequenz aus der behördlichen Anordnung wurden am Montagnachmittag die traditionellen Frühjahrsmessen abgesagt, die ursprünglich vom 16. bis 19. April stattfinden sollten. Betroffen von der Maßnahme sind zwölf Messen, darunter auch die Messe Dance-World. Sie ist jetzt für den November angesetzt.