In der Krise bietet das psychosomatische Zentrum im Krankenhaus Beratung am Telefon an.

Leonberg - Es sind zumeist nicht die ganz dramatischen Fälle, mit denen Andreas Grandel konfrontiert wird. „In der Regel melden sich Menschen, die einsam sind und an fehlenden Kontakten leiden“, sagt der Facharzt für Psychologie und Psychotherapie. „Menschen, die vor allem reden wollen.“

 

Grandel leitet die Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Krankenhaus Leonberg. In der Außenstelle des Klinikums Nordschwarzwald mit Hauptsitz in Calw-Hirsau schellt in diesen Tagen öfters das Telefon als sonst. In Corona-Zeiten haben viele Menschen Redebedarf. Und dafür haben die Leonberger Psychologen einen gesonderten Telefonservice eingerichtet: Die Hotline mit der Rufnummer 07152 / 202 69 220 ist werktags von 9 bis 12 Uhr und 15 bis 20 Uhr geschaltet. Wer etwas loswerden möchte, kann hier kostenlos anrufen.

Erstaunliche viele Junge melden sich

Während in den Anfangstagen der Corona-Krise viele Anrufer wissen wollten, wo sie sich testen lassen können, so sind die Helfer am Telefon jetzt vor allem mit den inneren Sorgen und Nöten der Menschen konfrontiert.

Erstaunlich viele junge Leute wenden sich an das Team vom psychosomatischen und psychotherapeutischen Zentrum, hat Andreas Grandel in den vergangenen Wochen beobachtet. „Jüngere sind Interaktion gewohnt“, sagt der Chefarzt. „Ihnen fehlen soziale Kontakte ganz besonders.“

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Aber auch Ältere leiden unter Einsamkeit und Isolation, besonders wenn sie unter Quarantäne stehen und kaum Kontakte nach außen haben. „In Trennung lebende Menschen fühlen sich ausgegrenzt und haben oft keine weiteren Ansprechpersonen“, schildert Andreas Grandel. „Fehlende Ansprache kann problematische Folgen haben“, weiß der Mediziner.

Oft reicht zuhören

Und dann gibt es natürlich das ganze große Thema Zukunftsangst: Existenznöte und berufliche Unsicherheit sind eine starke Motivation, um sich an die professionellen Berater zu wenden. „Viele Patienten empfinden die Kurzarbeit oder fehlende Perspektiven im Geschäft als Bedrohungslage“, erläutert der psychosomatische Internist, der auch Patienten behandelt, deren seelische Probleme Herzerkrankungen hervorrufen. „Wir hören erst einmal zu“, sagt Andreas Grandel.

Einfach sprechen können, das hilft schon. „Wenn ein Anrufer das Gefühl hat, dass seine Probleme ernst genommen wird, dann entlastet ihn das zumeist“, erklärt der Psychotherapeut. Die meisten, die sich wegen Sorgen in der Arbeitswelt an die Experten im Psychiatrischen Zentrum wenden, stehen voll im Berufsleben und sind zwischen 30 und 50 Jahre alt.

Psychologische Unterstützung

In vielen Fällen werden die Patienten an ihren Hausarzt verwiesen, der die weitere Entwicklung beobachten kann. „Oder sie haben nach dem ersten Beratungstelefonat die Möglichkeit, über ihre Probleme nachzudenken und gegebenenfalls einen Nachfolgetermin vereinbaren.“ Der Chefarzt betont, dass es um psychologische Unterstützung geht. „Wir können keinen Arbeitsplatz schaffen oder eine mögliche Isolation nicht aufheben.“

Wer sich überhaupt im Zentrum für psychosomatische Medizin und Psychotherapie meldet, so weiß Andreas Grandel aus Erfahrung, hat einen hohen Leidensdruck. „Die allermeisten kostet es große Überwindung, bei uns anzurufen“, erklärt der 50-Jährige. „Viele wollen nicht als psychiatrische Patienten angesehen werde, und die meisten denken, sie seien eine Last. Doch solche Empfindungen können wir in der Regel unseren Patienten nehmen.“

Auch stationäre Aufnahme möglich

Sollte sich während der Gespräche herausstellen, dass die Probleme tiefer liegen, so gibt es auch die Möglichkeit der stationären Aufnahme. Für stationäre Patienten gibt es 30 Plätze, die in der Regel zu zwei Dritteln belegt sind.

Bei Menschen mit gravierenden Schwierigkeiten, etwa häuslicher Gewalt, reicht ein Telefonat freilich nicht. „Wer zum Beispiel in hochaggressiven innerfamiliären Verhältnissen lebt, muss dauerhaft behandelt werden, gegebenenfalls auch stationär“, sagt der Chefarzt. „Da tut sich fast jeder schwer, am Telefon darüber zu sprechen.“

Beratungs-Hotline: Klinik für Psychotherapie Leonberg
Telefon 07152 / 202 69 220, werktags von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 20 Uhr

Anrufer müssen ihr Alter und ihre Herkunft angeben. Die Gespräche werden absolut diskret behandelt, die Anonymität der sich meldenden Menschen ist gewahrt, versichert die Klinik.