Wo soll der Atommüll sicher gelagert werden? Noch vor die Endlagerkommission ihren Bericht offiziell übergeben hat, besinnen einzelne Länder sich schon wieder auf das Sankt-Florians-Prinzip.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Bis fest steht, wo in Deutschland ein Endlager für den in den Kernkraftwerken erzeugten Atommüll gebaut werden soll, werden mindestens noch 15 Jahre ins Land gehen. Doch kaum, dass die Endlagerkommission nach zweieinhalbjährigen Beratungen in 34 Sitzungen und zahllosen Arbeitsgruppen ihren mehrere hundert Seiten starken Bericht abgeschlossen hat, in dem Kriterien für die Suche abgesteckt werden, geht der Streit über die schwierigste Standortfrage der Republik in die nächste Runde. An diesem Dienstag werden Ursula Heinen-Esser und Michael Müller – beide ehemalige Umweltstaatssekretäre und amtierende Vorsitzende der Endlagerkommission – die Empfehlungen des Gremiums in Berlin offiziell präsentieren.

 

Ist die einvernehmliche Endlagersuche schon am Ende?

Einige Bundesländer haben die Übergabe nicht abgewartet, bevor sie begonnen haben, wieder Sand ins Getriebe der so mühsam und aufwendig auf den Weg gebrachten einvernehmlichen Suche nach einem Endlager zu streuen. Sowohl Bayerns als auch Sachsens Regierung haben ihren Kollegen in Bund und Ländern schon zu erkennen gegeben, dass sie sich wohl am Ende des gemeinsam eingeschlagenen Weges sehen, ausgehend von einer „weißen Landkarte“ ohne die Vorfestlegung auf Gorleben und ohne die Ausklammerung anderer Regionen den am besten geeigneten Ort für ein Atommülllager zu finden. Darauf hatten Bund und Länder sich vor fast drei Jahren nach langem Ringen verständigt. Die Endlagerkommission sollte dabei helfen. Ihr Auftrag war dabei nicht, die Standortfrage zu entscheiden, sondern wissenschaftsbasierte Kriterien für das Suchverfahren zu erarbeiten. Das übergeordnete Ziel dieses Vorgehens war es, den jahrzehntelangen Streit zu befrieden, den die politische Vorfestlegung auf den Salzstock im niedersächsischen Gorleben ausgelöst hat.

Bayern und Sachsen kündigen Sondervoten an

Zum Unmut vieler grüner Umweltpolitiker haben Bayern und Sachsen bereits Sondervoten zu dem Bericht angekündigt, der keinerlei Festlegung enthält, in welcher Gesteinsart und in welcher Region das Endlagerstandort schließlich gebaut werden könnte. Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf machte bereits deutlich, dass sie alle bayerischen Gesteinsformationen für ungeeignet hält und drang auf schärfere Auflagen – vor allem auf ein Wirtsgestein von mindestens hundert Metern Stärke. In einem Zeitungsinterview forderte sie „in Stein gemeißelte Sicherheit“ und lehnte es ab, technische Barrieren wie spezielle Behälter zu setzen. In Bayern gelten ein Salzstock in Berchtesgaden, Granitvorkommen im Bayerischen Wald und Tonschichten an der Donau als theoretisch denkbare Standorte. Auch Sachsen will nach Angaben aus der Kommission ein Sondervotum abgeben und pocht darauf, dass für alle potenziellen Wirtsgesteine – Salz, Granit und Opalinuston – die gleichen Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien gelten. Der dortige Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) kritisierte, dass die Kommission bei Granit eine geringere Gesteinsdicke akzeptiere. Sachsen fürchtet, dass die Sächsische Schweiz oder das Erzgebirge als Standorte in Frage kommen könnten.

Baden-Württemberg setzt auf das Prinzip Hoffnung

Prinzipiell ist vereinbart, dass die von der Kommission erarbeitete Kriterien in das Endlagersuchgesetz eingearbeitet werden. Bundestag und Bundesrat werden das aber nur tun, wenn die Empfehlung einstimmig abgegeben werden. Deshalb werden die angedrohten Sondervoten unter anderem von grünen Politikern als Alarmzeichen gewertet. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne) mahnte, die Arbeit der Kommission und die Befriedung des Gorlebenstreits „nicht durch Sonderwege der einzelnen Bundesländer zu gefährden.“ Sein baden-württembergischer Kollege Franz Untersteller verlegt sich schon aufs Bangen und Hoffen: „Ich bedauere die angekündigten Sondervoten und hoffe, dass sie den anstehenden Gesetzgebungsprozess in keiner Weise überlagern und verzögern.“