Unter Go-Ahead häufen sich die Probleme im Schienenverkehr. Der Verkehrsminister müsse handeln, heißt es. Aber auch die Entschädigungsinitiative stößt auf Misstrauen.

Verkehr - Auch ohne die Auswirkungen des Sturmtiefs Sabine tobt über den Regionalverbindungen auf der Rems- und auf der Murrbahn nach wie vor eine Art Orkan der Entrüstung. Verspätungen, Zugausfälle, drangvolle Ende, das hat nun gleich diverse Regionalpolitiker auf den Plan gerufen, die ihre harsche Kritik direkt an Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) richteten – aber auch einige wenige Verteidiger der Verantwortlichen im Stuttgarter Verkehrsministerium. „Die Misere im Schienenpersonennahverkehr auf der Rems- und Murrbahn ist untragbar“, teilen etwa Siegfried Lorek und Claus Paal, die beiden CDU-Landesparlamentarier der Wahlkreise Waiblingen und Schorndorf, mit. Sie setzen ganz persönlich gleich eins drauf: „Verkehrsminister Winfried Hermann trägt die Verantwortung und muss unverzüglich handeln.“

 

Zweieinhalb Zugausfälle im Durchschnitt, listet ihre Aufzählung der Grausamkeiten gegen Fahrgäste auf, ein Viertel verspätete Zügen und viel zu wenige Sitzplätze – „das ist geradezu beschämend“. Und noch schlimmer: Aktuell seien keinerlei Maßnahmen oder Verbesserungen des verantwortlichen Verkehrsministers sichtbar. Die Folge, so die Kritik am Minister des eigenen Koalitionspartners: „Viele Menschen sind inzwischen so genervt, dass sie lieber wieder mit dem Auto zur Arbeit fahren.“

Grünen-Abgeordnete beklagen „populistische Schuldzuweisungen“

Den Vorwurf, Hermann habe 2011 „bereits vorhandene, durchdachte Konzepte für die Ausschreibung der Nahverkehrsleistungen eingestampft“ und so die Ausschreibungen um Jahre verzögert, wollen wiederum die Grünen-Landtagsabgeordneten Willi Halder und Petra Häffner nicht auf ihrem Parteifreund sitzen lassen. In ihrer Mitteilung zum aktuellen Schienen-Schlamassel beklagen sie „populistische Schuldzuweisungen“.

Dass bereits 2011 ein durchdachtes Konzept zur Ausschreibung der Nahverkehrsleistungen vorgelegenen habe, höre sie zum ersten Mal, schreibt Häffner, und Halder ergänzt mit einer parteipolitischen Spitze: „Fehlende Kompetenz hat Schwarz-Gelb bereits 2003 beim Abschluss des Verkehrsvertrags bewiesen, der das Land nachweislich eine Milliarde Euro gekostet hat.“

Klar sei, so die beiden Grünen: „Minister Hermann jetzt die Schuld für die aktuelle Misere zuzuschieben ist populistisch und zu kurz gedacht“. Die EU-weite Neuausschreibung – darauf verweist auch das Verkehrsministerium – sei jeweils entsprechend der gesetzlichen Vorgaben und korrekt durchgeführt worden. „Ich lasse mir nicht alle Probleme, die in diesem System vorhanden sind, in die Schuhe schieben“, hat Winfried Hermann dieser Tage im Landtag die geballten Vorwürfe gegen ihn gekontert. Tatsache sei andererseits, sagen Häffner und Halder, dass ein Teil der rechtzeitig bestellten Züge bis heute nicht ausgeliefert sei. „Hier sind die Firmen Bombardier und Stadler in der Pflicht, nicht der Verkehrsminister.“

Haußman sieht „Angebotsqualität vernachlässigt“

Er teile die Forderung des CDU-Koalitionspartners, die den Minister auffordere zu handeln, anstatt „permanent die Schuld von sich zu weisen“, teilt wiederum der FDP-Landtagsabgeordnete Jochen Haußmann als Reaktion auf die Kritik von Paal und Lorek mit. Er wundert sich aber darüber, dass die Christdemokraten erst jetzt die „Fehlleistungen von Hermanns Schienenpolitik“ entdeckten. Es zeige sich deutlich, dass Hermann die Stuttgarter Netze auf Kante genährt habe, um billiger zu sein als der einstige Verkehrsvertrag. Haußmann: „Die Angebotsqualität wurde vernachlässigt.“

Einig sind sich die CDU- und FDP-Abgeordneten darin, dass zusätzliche Entschädigungen für die geplagten Pendler nötig sind – infolge der überfüllten, verspäteten oder ausgefallenen Züge auf Rems- und Murrbahn.

Gerade die Ankündigung einer solchen Entschädigung für Pendler – möglicherweise in Form der Erstattung einer Monatskarte – hat im Rems-Murr-Kreis den Unmut eher noch verstärkt. Schließlich werde da schon vorab das gesamte S-Bahn-Gebiet der dortigen Ausweichmöglichkeiten wegen ausgenommen, lautet die Kritik. Unbeachtet blieben da die gravierenden Auswirkungen des Regionalverkehrschaos auf das Gesamtsystem. Zum anderen sei eben auch klar, dass die Malaise nicht nur bei den neuen Betreibern liege, sondern auch an anderen strukturellen Problemen im Schienenverkehr. Etwa an der vernachlässigten Infrastruktur im DB-Schienennetz – die nicht zuletzt beim Ausfall des Waiblinger Stellwerks für alle spürbar war.