Die CSU in Bayern will am Dienstag im bayerischen Landtag die Befugnisse seiner Polizei erheblich verschärfen. Doch die Kritik am geplanten „Musterpolizeigesetz“ ist so groß, dass Innenminister Herrmann darauf reagieren muss.

München - Eine Demonstration dieser Größe hat es in Bayern schon lange nicht mehr gegeben – und erwartet hatten das nicht einmal die Organisatoren. 30 000 Menschen, gut viermal so viele wie angemeldet, trafen sich an Christi Himmelfahrt in der Münchner Innenstadt, um gegen die geplante Verschärfung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) zu demonstrieren. Alles „unbedarfte Menschen“, von einer wochenlangen „Lügenpropaganda in die Irre geführt“, wie Innenminister Joachim Herrmann das darstellt? Oder Demonstranten, die den freiheitlichen Rechtsstaat bedroht sehen und sich darin eher den schwerwiegenden Einwänden von Verfassungsrechtlern und selbst des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz anschließen, als dass sie den Beschwichtigungen der CSU-Regierung glauben?

 

Ein „Musterpolizeigesetz“ für ganz Deutschland will die CSU in Bayern durchsetzen, und dass sie mit dem Projekt am kommenden Dienstag im Landtag durchkommt, daran besteht angesichts ihrer absoluten Mehrheit und ihrer – wahlkampfbedingt – zunehmenden politischen Härte kein Zweifel. Wobei sogar Parteiprofis vor lauter Propaganda-Eifer übers Ziel hinausschießen. CSU-Generalsekretär Markus Blume etwa beteuerte am Freitag, die Vorwürfe, Bayern werde zum Polizeistaat umgebaut, entbehrten jeder Grundlage. Mit dem schwer interpretierbaren Nachsatz: „Das Gegenteil ist richtig.“

Wann droht Gefahr

Dabei setzt das zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres verschärfte Gesetz die Schwelle für Polizeieinsätze weiter herab und gibt der Polizei mehr Befugnisse als bisher. Dass sie nicht mehr eine „konkrete“ Gefahr nachweisen muss, um gegen potenzielle Straftäter vorzugehen, sondern schon bei „drohender“ Gefahr einschreiten darf, wie es das Bundesverfassungsgericht eigentlich nur im Fall der Terrorabwehr hat zulassen wollen, steht schon seit Sommer 2017 im Gesetz. Damals wurde auch die praktisch unbegrenzte Präventivhaft – zuerst drei Monate, dann auch richterlichen Beschluss beliebig oft verlängerbar – beschlossen. Damals enthielt sich die SPD-Opposition im Landtag der Stimme; heute führt sie zusammen mit den Grünen – die schon voriges Jahr als einzige „Nein“ sagten – den politischen Protest an.

Herrmann: Rechte der Bürger werden gestärkt

Bei drohender Gefahr also sollen Telefonate und Internet-Chats der „Gefährder“ überwacht werden dürfen, mit Drohnen auch; unter anderem dürfen auch Postsendungen geöffnet und DNA-Spuren weit stärker als bisher ausgewertet werden – wohlgemerkt: ohne dass überhaupt eine Straftat passiert ist. Thomas Petri, der Landesbeauftragte für Datenschutz, sieht in so viel Prävention einen „rechtsstaatlichen Tabubruch.“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann begründet all die neuen Maßnahmen mit der gestiegenen Terrorgefahr, welcher die Polizei „nicht hinterherhinken“ dürfe. Außerdem sagt er, die Gesetzesreform stärke die Rechte der Bürger sogar. Die Polizei könne nur das tun, was ein unabhängiger Richter im konkreten Fall auch erlaube. Außerdem müssten die Betroffenen weit mehr als bisher über die Maßnahmen gegen sie informiert werden – hinterher wenigstens, wenn die Gefahr vorüber ist. „Wir müssen das Menschenmögliche tun, um den Bürgern Sicherheit zu bieten“, sagt auch CSU-Generalsekretär Markus Blume.

Mehr Aufklärung gegen die „Desinformation“

Mittlerweile aber schwant sogar dem Innenminister, der sich – nicht nur bei Faschingsveranstaltungen – gerne als „Schwarzer Sheriff“ titulieren lässt, dass er zu weit gegangen sein könnte. Aus der „intelligenten Videoüberwachung“ ist nun zumindest die aktive Gesichtserkennung aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Damit ist der stärkste Vorwurf der Kritiker entschärft, Bayern lege es auf „Totalüberwachung“ an. Auch die Überwachungsrechte gegenüber dem Freundeskreis eines behaupteten „Gefährders“ fallen weniger umfangreich aus. Und: Überwachungsdrohnen dürfen nun doch nicht bewaffnet sein. Vorher galten sie laut Artikel 71 PAG als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt.“

Vor allem aber will das Bayerische Innenministerium mit einer eigenen Aufklärungskampagne im Internet die „Desinformation“ durch die PAG-Gegner bekämpfen: Ein ausführlicher Frage- und Antwort-Katalog mit Beispielen für künftig mögliche Polizeieinsätze soll Klarheit bringen.