Ministerpräsident Kretschmann will die Ausweitung der Zahl der sicheren Herkunftsländer mit Rücksicht auf die CDU mittragen – bereits zum dritten Mal. Diesmal aber hält die Parteilinke im Land nicht still.

Stuttgart - Den Koalitionsfrieden hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewahrt: die CDU ist zufrieden. Doch in der eigenen Partei regt sich Widerspruch gegen die Aufnahme der Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien in die Liste der sicheren Herkunftsländer. Der dem linken Parteiflügel zuzurechnende, in der Vergangenheit stets loyale Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand stellt sich in dieser Frage gegen den Ministerpräsidenten. „Man kann nicht wegerklären, dass in diesen Ländern Verfolgung stattfindet“, sagte Hildenbrand der Stuttgarter Zeitung. Auch die Grüne Jugend äußerte Unmut.

 

Zuvor hatte Kretschmann angekündigt, das Land werde der Einstufung der drei Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer zustimmen, sobald der Gesetzentwurf im Bundesrat aufgerufen wird. Die Bundesregierung habe ihm zugesagt, dass bestimmte Gruppen von Flüchtlingen aus diesen Ländern im Asylverfahren so behandelt würde wie bisher. „Damit ist der Menschenrechtsfrage ein Stück weit genüge getan“, sagte Kretschmann. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern gilt ein verkürztes Anerkennungsverfahren.

Im Bundesrat noch keine Entscheidung

Doch Grünen-Landeschef Hildenbrand zeigt sich von der angekündigten Protokollnotiz, die bestimmte Personengruppen aus dem verkürzten Verfahren ausnimmt, keineswegs überzeugt. Wo Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt, verurteilt und eingesperrt würden, könne von Sicherheit keine Rede sein. „Deshalb bin ich weiterhin der Meinung, dass man diesem Gesetz nicht zustimmen kann, ob mit oder ohne Protokollerklärung.“ Hildenbrand sprach von einer falschen „Symbolpolitik“, die zur Folge habe, dass das Eintreten für die Menschenrechte in den fraglichen Ländern erschwert werde. „Ich wäre enttäuscht, wenn eine grün-geführte Landesregierung dem Vorhaben im Bundesrat am Ende zustimmen sollte.“

So weit ist es aber noch nicht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat den Bundestag zwar bereits passiert, doch im Bundesrat wurde das Thema am Freitag vertagt, nachdem sich keine Mehrheit abzeichnete. Denn neben den Stimmen Baden-Württembergs ist noch die Zustimmung von zwei weiteren von den Grünen mitregierten Bundesländern erforderlich. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte Kretschmann wiederholt aufgefordert, die Grünen zum Mitmachen zu bewegen. „Das Gesetz ist notwendig“, meinte Strobl.

Die CDU wollte im Koalitionsvertrag mehr

Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag war das Thema offengehalten worden. Dort heißt es, das Land werde im Bundesrat zustimmen, „falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“. In den Koalitionsverhandlungen hatte die CDU das Ziel verfolgt, dass das Land zuverlässig immer mitmache, wenn die Bundesregierung die Zahl der sicheren Herkunftsländer aufstocken wolle. Für die Christdemokraten liegt es außerhalb des Vorstellungsvermögens, dass die Bundesregierung ein verfassungsrechtlich nicht korrektes Gesetz vorlegen könnte.

Kretschmann hatte bereits 2014 und 2015 die Aufnahme diverser Balkan-Staaten auf die Liste der sicheren Herkunftsländer abgesegnet und sich damit den Unmut in der Bundespartei zugezogen.