Kurt Lauk, der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, liest der Bundesregierung die Leviten. Die Rentenpläne seien ein Wechsel auf die Zukunft. Der Mindestlohn gefährde hunderttausende Jobs. Die Frauenquote ignoriere die realen Verhältnisse in Betrieben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Stuttgart – - Die Regierungszeit der großen Koalition beginnt mit einem Feuerwerk an sozialen Wohltaten. Deutschland zahle einen hohen Preis für diese Regierung, kritisiert der Stuttgarter Ökonom Kurt Lauk. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats vertritt 11 000 Unternehmen. Im Interview erklärt er auch, warum er auf die Wiedergeburt der FDP hofft.
Herr Lauk, sozialdemokratischer als unter dieser großen Koalition wurde selten regiert. Wie ist Ihr Urteil über Schwarz-Rot?
Es war nicht damit zu rechnen, dass CSU und SPD ihre sozialen Segnungen addieren würden. Auf der Positivseite steht dem zumindest der erste Bundeshaushalt ohne neue Schulden seit 45 Jahren gegenüber, den Wolfgang Schäuble durchgesetzt hat. Der Wirtschaftsrat hatte frühzeitig vor drei Themen gewarnt: Mindestlohn, Rente mit 63 und Mütterrente. Damals war das eine einsame Stimme.
War es falsch, dass die Union sich mit den Sozialdemokraten verbündet hat?
Ohne die SPD hätte es keine Regierung gegeben. Im Bundestag ginge rechnerisch Rot-Rot-Grün. Aber für diese Regierung wurde ein sehr hoher Preis bezahlt.
Warum gönnen Sie älteren Arbeitnehmern, die 45 Jahre lang Rentenbeiträge geleistet haben, nicht einen vorzeitigen Ruhestand?
Die Rente mit 63 praktiziert eine Umverteilung von unten nach oben. Langjährig Versicherte erhalten ohnehin eine erheblich höhere Rente als alle übrigen. Natürlich ist es so, wenn einer ein Leben lang geschafft hat und fast vom Dach fällt, den muss man rechtzeitig in den Ruhestand gehen lassen. Wenn es nur um solche Menschen ginge, das wäre eine ganz kleine Zahl. In den Genuss der Rente mit 63 kommen aber nicht nur die, die 45 Jahre lang malocht haben, sondern auch halbtags beschäftigte Bürokräfte, die zeitweise, vielleicht sogar mehrfach arbeitslos waren. Hier wird angeblich soziale Gerechtigkeit mit viel sozialer Ungerechtigkeit erkauft.
Die Mütterrente war ein Herzensanliegen der CDU. Ist sie nicht ebenso problematisch und sogar noch um einiges teurer?
Deshalb haben wir uns dagegen ausgesprochen. Unter moralischen Gesichtspunkten ist natürlich nichts dagegen einzuwenden. Aber es geht hier um eine kumulierte Summe von über 160 Milliarden Euro bis 2030. Wo das Geld plötzlich herkommen soll, ist uns nach wie vor ein Rätsel. Finanzminister Schäuble argumentiert sehr ehrlich. Er sagt, bei zwei Prozent Wachstum seien die Mehrkosten bis 2017 durchfinanziert. Danach müsse man neu nachdenken. Das heißt im Klartext: Wir bürden der jungen Generation eine weitere schwere Last auf. Es ist in einer alternden Gesellschaft wahltaktisch zwar nachvollziehbar, warum man die Alten besserstellt, aber sozial gerecht ist das nicht.