Kritik an der Krankenhausreform Die kleinen Kliniken bleiben unter Druck

Das Leonberger Krankenhaus liegt am Stadtrand. Viele Patienten blicken direkt auf die Natur. Foto: Simon Granville

Willi Burger verabschiedet sich nach 24 Jahren als Vorsitzender des Fördervereins Krankenhaus Leonberg mit mahnenden Worten. Helmut Noë übernimmt.

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Es war nur eine einzige Operation, die gefehlt hat. Eine mehr, und in der Klinik für Bauchchirurgie im Krankenhaus Leonberg hätten weiterhin Operationen an der Bauchspeicheldrüse durchgeführt werden können. Doch es half nicht: Die Mindestmenge wurde nicht erreicht. „Das hat mich persönlich ganz besonders getroffen“, sagt Wolfgang Steurer. „Schließlich habe ich über die Bauchspeicheldrüse habilitiert.“

 

Mit diesem Beispiel aus eigener Anschauung will der Ärztliche Direktor des Krankenhauses in Leonberg deutlich machen, wie schnell sich die gesetzlich vorgegebenen Mindestmengen bei Operationen negativ auf kleinere Häuser auswirken können. Den bundesweit renommierten Viszeralchirurgen aus Innsbruck hat es nach mehreren Station in großen Kliniken nach Leonberg gezogen, weil „hier den Patienten noch jeden Tag der selbe Arzt gegenübersteht“.

In Unikliniken und Häusern der Maximalversorgung gäbe es bei weitem nicht die persönliche Patientenansprache, die in kleineren Krankenhäusern noch möglich sei: „Ich hatte einen Patienten, der völlig frustriert aus Heidelberg gekommen ist, weil er sich dort nicht gut aufgehoben gefühlt hat.“ Auch medizinisch brauche sich Leonberg nicht zu verstecken: „Wir therapieren nach höchsten Qualitätsstandards mit großer Expertise.“

Wolfgang Steurer spricht beim Förderverein des Krankenhauses. Die Hauptversammlung ist eine besondere: Nach 24 Jahren gibt Willi Burger das Amt als Vorsitzender ab. Um zum Abschied ein leidenschaftliches Plädoyer für „seine“ Klinik zu halten. „Gerade unser Krankenhaus ist geeignet, Patienten aus der Region Leonberg zu binden, die sonst nach Stuttgart, Ludwigsburg oder Pforzheim gehen würden“, sagt der einstige Polizeiinspekteur von Baden-Württemberg, der nach seinem Ruhestand vor fast einem Vierteljahrhundert übergangslos die neue Aufgabe als engagierter Fürsprecher des Krankenhauses übernommen hatte.

WHO-Auszeichnung für Leonberger Gynäkologie

Medizinisch habe die Leonberger Klinik nicht nur mit dem Bauchzentrum und der Unfallchirurgie viel zu bieten, sondern auch mit der Gynäkologie: „Von den insgesamt 680 Geburtsstationen in ganz Deutschland gehört Leonberg zu den 100 Kliniken, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem Prädikat ,Babyfreundliches Krankenhaus’ ausgezeichnet worden, und das nun schon zum zweiten Mal.“

Dennoch ist nicht sicher, dass die Frauenklinik mit der hebammengeführten Geburtshilfe dauerhaft in Leonberg bleibt. „Wir sind nicht sorglos. Wir werden wachsam sein“, sagt Burger, auch angesichts der mahnenden Worte des Chefarztes Wolfgang Steurer .

Der scheidende Vorsitzende kündigt an, dass die erfolgreiche Vortragsreihe „Medizin vor Ort“, bei der Chefärzte ihr Fachgebiet in den Städten und Gemeinden des alten Kreises Leonberg vorstellen, weitergeführt wird.

Helmut Noë (links), Willi Burger (Mitte) und Heiderose Mair vom Förderverein mit Krankenhaus-Direktor Nicolai Stolzenberger (2. v. l.) und dem Chef der Notaufnahme, Michael Baier. Foto: Simon Granville

Und er nennt die Summe von gut 152 000 Euro, die der Förderverein in den vergangenen vier Jahren investiert hat, „um den Aufenthalt der Patienten und die Arbeitsbedingungen des Personals zu verbessern.“

Ein Abschiedsgeschenk mit Hintersinn hat Barbara John: Die Chefärztin der Gastroenterologie überreicht Burger eine Champagnerflasche in Form eines Leuchtturms: Ein Hinweis an den Landrat Roland Bernhard, der Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikverbundes ist, dass jedes Krankenhaus einen medizinischen Leuchtturm braucht.

Dann übernimmt Helmut Noë. Der neue Vorsitzende, der einstimmig gewählt wird, hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits als Stellvertreter die Geschicke des Fördervereins maßgeblich mitgestaltet. Jetzt, da er sein Ehrenamt als Chef der CDU-Kreistagsfraktion niedergelegt hat, bleibt ihm mehr Zeit fürs Krankenhaus.

Der erfahrene Kommunalpolitiker benennt in seiner Antrittsrede gleich die harten Nüsse: Die in der jetzt beschlossenen Krankenhausreform vorgesehenen Konzentration der Kliniken gehe vor allem zu Lasten der kleineren Häuser und des ländlichen Raumes: „In Verbindung mit den Mindestmengen-Regelungen ist auch das Leonberger Krankenhaus unter Druck.“

Die 1,5 Millionen Euro, die Landrat Bernhard im Klinikverbund einsparen will, dürften nicht zu Lasten der Häuser in Leonberg und Herrenberg gehen: „Dieser Sparbeitrag muss gemessen an den Bettenvolumina in erster Linie in Böblingen und Sindelfingen erbracht werden.“ Grundsätzlich sieht Noë die Gelder im Kreis nicht gerecht verteilt: „Es ist nicht zu verantworten, dass im Nahverkehr 60 Millionen Euro jährlich bereit gestellt werden. Eine Kosten-Nutzen- Rechnung gibt dafür nicht. Bei den Krankenhäusern – also der Gesundheitsversorgung der Menschen – wird jeder Euro mehrfach umgedreht.“

Weitere Themen