Umweltverbände und das Land verlangen von der Stadt mehr Einsatz gegen zu hohe Schadstoffwerte.

Stuttgart - Vier namhafte Umweltverbände haben am Mittwoch von Stadt und Land ein Umdenken in der Verkehrspolitik gefordert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) verlangen konsequentere Schritte gegen die viel zu hohen Feinstaub- und Stickoxidwerte in der Landeshauptstadt.

 

Doch damit noch nicht genug: Das grün-rote Verkehrsministerium hat bereits Anfang Dezember in Sachen Luftreinhaltung kritische Töne gegenüber dem Rathaus angeschlagen. In einem an Oberbürgermeister Wolfgang Schuster adressierten Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, schlägt Staatssekretärin Gisela Splett gegenüber dem Rathaus kritische Töne an. Splett weist darauf hin, dass die bisher umgesetzten Maßnahmen nicht ausreichten, „um die Grenzwerte in absehbarer Zeit einhalten zu können“. Deshalb mahnt die rechte Hand von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Stadt zu mehr Engagement bei den Gegenmaßnahmen, etwa zu mehr Rußfiltern für städtische Dieselfahrzeuge und Baumaschinen sowie zu einem Staubminderungsplan für Großbaustellen. „Ich würde mich freuen, wenn Sie hier deutliche Fortschritte mitteilen könnten“, so Splett, die alle Fragen auch gern mit Schuster persönlich erörtern möchte.

Für die grüne Staatssekretärin wirft allerdings auch der geplante Bau des rund 200 Millionen Euro teuren Rosensteintunnels, der – unter anderem – zu überhöhten Stickoxidwerten im Stadtbezirk Zuffenhausen führen würde, „die grundsätzliche Frage auf, ob und wie die mittel- und langfristige Verkehrsplanung der Landeshauptstadt mit den Zielen der Luftreinhalteplanung harmonisiert, beziehungsweise abgestimmt ist“. Keinesfalls dürften „durch eine Art Salamitaktik“ einzelne, an sich unbedenkliche Maßnahmen „in der Summe zu einer erhöhten Luftbelastung“ führen.

„Eine Art Salamitaktik“

Die Stadt formuliert noch an der Antwort für das Verkehrsministerium. „Das Schreiben an den Oberbürgermeister ist in der vergangenen Woche eingegangen“, heißt es im Rathaus, alle Sachverhalte würden von den zuständigen Ämtern geprüft.

Grenzwert bereits an 89 Tagen überschritten

Dass die Luft in Stuttgart immer noch viel zu dick ist, belegen die aktuellen Messwerte. Bis zum 4. Dezember wurde der Feinstaubgrenzwert am Neckartor bereits an 89 Tagen überschritten – das gesetzliche zulässige Jahreslimit, das in der Hohenheimer Straße erreicht ist, liegt bei 35 Tagen. An der Messstation Waiblinger Straße in Bad Cannstatt sowie am Arnulf-Klett-Platz befinden sich die Rußpartikelwerte seit Anfang Dezember hingegen mit 54 und 40 Tagen bereits weit darüber.

Angesichts dieser Lage kritisieren auch Bund, VCD und zwei weitere Umweltverbände im Rahmen ihrer Kampagne „Rußfrei fürs Klima“ die „schwachen Anstrengungen Baden-Württembergs, die gesundheitsschädlichen Rußemissionen in Städten zu reduzieren“. Die Landesregierung müsse endlich effiziente Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu ergreifen. Stuttgart belege im bundesweiten Vergleich den zweiten Platz auf der Liste der am höchsten belasteten Städte. Die bisher getroffenen Maßnahmen reichten nicht aus. „Wenn man die aktuellen Bemühungen zur Luftreinhaltung beobachtet, gewinnt man den Eindruck, dass den Politikern die Gesundheit der Bevölkerung egal ist“, sagt der BUND-Verkehrsexperte Klaus-Peter Gussfeld, der eine einheitliche Umweltzone für den Großraum Stuttgart fordert.

Tempolimits gefordert

Auch die grün-rote Landesregierung kommt nicht ungeschoren davon: Nach Ansicht der Umweltschützer muss diese rasch Tempolimits erlassen. „Wir fordern Tempo 30 in Wohngebieten, Tempo 40 auf Hauptverkehrsstraßen, Tempo 80 außerorts und Tempo 120 auf Autobahnen“, so Klaus-Peter Gussfeld.

„Den Stuttgartern müssen attraktive Alternativen zum Auto geboten werden“, verlangt ferner Werner Korn vom VCD Baden-Württemberg. Die Stadt müsse deshalb den Nahverkehr konsequent ausbauen. „Straßenneubauten wie der Rosenstein- und Leuzetunnel, die bis zu 10 000 zusätzliche Fahrten am Tag verursachen, dürfen nicht realisiert werden.“

Für Barbara Göppel, Projektmanagerin bei der Deutschen Umwelthilfe, muss es in Stuttgart rasch eine „verbindliche Rußfilterpflicht für Baumaschinen“ geben. „Wir hoffen dabei auf die Unterstützung der Landesregierung.“ Sollte sich in Sachen Luftreinhaltung weiterhin zu wenig tun, so wollen die Umweltverbände vor Gericht klagen. Das gelte für den Fall, dass Städte ihre Einwohner weiterhin vermeidbaren Gesundheitsrisiken aussetzen sollten.