Nach den aufgedeckten Offshore-Konten einer ehemaligen Kommissarin gibt es nun neuen Ärger: EU-Parlamentarier kritisieren, dass der wichtige Ethikausschuss der Kommission nicht mit unabhängigen Köpfen besetzt wurde.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Stuttgart - Der Unmut über Ex-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie seine ehemalige Kommissarin Neelie Kroes hält sich hartnäckig in Brüssel. Immer wieder tauchen neue Details auf, die für Kopfschütteln sorgen. So wurde jetzt bekannt, dass der 60-jährige Portugiese, der bis 2014 zwei Perioden lang an der Spitze der Kommission stand und nun einen Beratervertrag bei der Investmentbank Goldman Sachs hat, noch eine Frührente in Höhe von rund 7000 Euro monatlich bezieht. Am Dienstag teilte der VW-Konzern mit, dass er die ehemalige EU-Klima-Kommissarin Connie Hedegaard für seinen neuen neunköpfigen Nachhaltigkeitsrat gewinnen konnte, der den Vorstand berät. Und erst vor wenigen Tagen war enthüllt worden, dass die Niederländerin Neelie Kroes während ihrer zehnjährigen Amtszeit als Kommissarin Chefin einer Briefkastenfirma mit Sitz im Steuerparadies der Bahamas war.

 

Nun gerät auch noch das Gremium in den Blick, das die Kommission rund um sensible Fragen wie Transparenz beraten soll: der sogenannten Ad-Hoc-Ethikausschuss. Das aus drei Personen bestehende Komitee hat zwei Funktionen: Zum einen berät es die Kommission, wie der Verhaltenskodex anzuwenden ist. Zum anderen wird es eingeschaltet, wenn ein Kommissar kurz nach seinem Ausscheiden einen Job in der Wirtschaft annehmen will. Nach derzeitiger Rechtslage gilt für Kommissare eine „Abkühlungsphase“ von 18 Monaten. In dieser Zeit sollen Ex-Kommissare signalisieren, wenn sie ein Jobangebot annehmen wollen. Wenn es dann Berührungspunkte mit dem alten Portfolio gibt, soll der Ethik-Ausschuss prüfen, ob ein Interessenkonflikt entsteht.

Mitglieder des Ethik-Rates sind gleichzeitig Sonderberater

Die Haushaltsexpertin im EU-Parlament, Inge Gräßle (CDU), kritisiert nun die Zusammensetzung des Ethik-Ausschusses. Ein Mitglied der Kommission, die langjährige deutsche EU-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt (SPD) hat zugleich einen Beratervertrag bei der Kommission. Sie berät den derzeitigen Kommissar Vytenis Andriukaitis. Der Litauer ist für Gesundheit und Lebensmittel zuständig. Ein zweites Mitglied des Ethik-Ausschusses, der Österreicher Heinz Zourek, stand bis vor kurzem ebenfalls auf der Beraterliste der Kommission. Zourek, ebenfalls ein Sozialdemokrat, berät EU-Kommissar Pierre Moscovici. Der Franzose ist in der Juncker-Kommission zuständig für Wirtschaft und Währungen. Das dritte Mitglied der Ethik-Kommission, Christiaan Timmermans, hat keine weitere Verbindung zur Kommission.

Roth-Behrendt und Zourek sind oder waren sogenannte „Sonderberater“, die der EU-Kommissionspräsident sowie einzelne Kommissare verpflichten können. Ihre Verträge haben in der Regel eine Laufzeit von 18 Monaten. Wie hoch die finanzielle Vergütung ist, ist nicht bekannt. Beobachter gehen aber davon aus, dass Tagessätze zwischen 469 und 599 Euro üblich sind.

Besetzt mit den „Angepassten im System“

Die Heidenheimer Europaabgeordnete Gräßle geht scharf mit der Besetzung dieses wichtigen Gremiums ins Gericht: „Die Verpflichtung von Roth-Behrend und Zourek ist in hohem Maße angreifbar.“ Es handele sich bei ihnen um die „Angepassten im System.“ Von ihnen habe die Kommission keinen Widerstand zu erwarten. Gräßle fragt: „Warum ist kein Osteuropäer in dem Gremium? Warum wird ein Bogen um den Hauhaltskontrollausschuss gemacht?“ Sie hinterfragt auch: „Wozu braucht die Kommission überhaupt Spezial-Berater? Mit 34 000 Mitarbeitern müsste dort genügend Sachverstand vorhanden sein.“

Die EU-Kommission weist die Kritik aus dem Parlament zurück. Eine Sprecherin teilte gegenüber dieser Zeitung mit: „Von einem Interessenskonflikt kann nicht die Rede sein.“ Die Arbeitsbereiche eines Sonderberaters und eines Mitgliedes des Ethik-Ausschusses seien anders gelagert und spezifisch auf die jeweilige Stelle zugeschnitten. „Es werden völlig unterschiedliche Aufgaben ausgeführt, somit sollte ein Interessenskonflikt ausgeschlossen sein.“

Das Parlament drängt auf strengere Regelungen

Im Parlament wird indes der Druck auf die Kommission in Sachen Ethik erhöht. So hat der parlamentarische Haushaltskontrollausschuss in dieser Woche beschlossen, dass 20 Prozent der Mittel eingefroren werden, die der Kommission zur Bezahlung von Pensionen und Beihilfen für ehemalige Kommissare zur Verfügung stehen. Da der Unmut im Parlament über die Personalien Barroso und Kroes groß ist, gilt die Zustimmung des Parlaments zu dieser Regelung als sicher.

Zudem verlangt der Ausschuss eine Verschärfung des Verhaltenskodex für Kommissare. Künftig sollte die Abkühlphase für ausscheidende Kommissare auf 24 Monate aufgestockt werden. Außerdem wird gefordert, dass Kommissare alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten jeweils über 10 000 Euro offen legen müssen. Und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle unterhaltsberechtigten Familienangehörigen. Der Ausschuss verlangt zudem, dass Kommissare künftig Aktien aus ihren Depots und andere Vermögenswerte verkaufen müssen, wenn es Berührungspunkte zu ihrem Ressort gebe.