Altkanzler Schröder darf - vorerst - in der SPD bleiben. Der aus ihr ausgeschlossene Sarrazin geht mit seinen früheren Genossen ins Gericht. Auch innerhalb der Partei regt sich Unmut.

Der SPD-Politiker und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rief Gerhard Schröder auf, die SPD zu verlassen. „Es ist schade, dass Gerhard Schröder nicht konsequent einfach austritt“, schrieb Lauterbach bei Twitter. „Wenn ihm die „Freundschaft“ zu dem Schlächter Putin so wertvoll ist hat er in der SPD keinen Platz mehr. Unschuldige Kinder sterben durch einen narzisstischen Diktator. Unverzeihlich“.

 

Auch der aus der SPD ausgeschlossene Autor Thilo Sarrazin hat die Entscheidung einer Partei-Schiedskommission zu Altkanzler Gerhard Schröder kritisiert. „Entweder die SPD ist vollständig moralfrei oder sie glaubt, dass ein islamkritisches Buch schlimmer zu bewerten ist als die Unterstützung für einen brutalen Diktator wie Putin“, sagte der frühere Politiker der „Bild“ (Dienstag). In jedem Fall werde hier „mit zweierlei Maß gemessen“.

Altkanzler Schröder war insbesondere nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar wegen seines Engagements für russische Staatskonzerne und seine Nähe zu Präsident Wladimir Putin heftig in die Kritik geraten. Mehr als ein Dutzend SPD-Gliederungen beantragten ein Parteiordnungsverfahren gegen den 78-Jährigen. Die zuständige Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover entschied am Montag in erster Instanz, dass Schröder kein Verstoß gegen die Parteiordnung nachgewiesen werden könne. Sie sieht damit keine Grundlage für eine Rüge oder gar einen Parteiausschluss. Gegen die Entscheidung ist innerhalb von zwei Wochen Berufung möglich.

Schröders Anwalt: Keine andere Entscheidung zu erwarten

Aus Sicht von Schröders Anwalt war keine andere Entscheidung zu erwarten. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte Michael Nagel, Schröder habe sich „von Beginn an deutlich gegen den Krieg distanziert, die Entscheidung Russlands als Fehler bezeichnet“.

Die Entscheidung der Kommission kam bei Genossen im Südwesten dagegen nicht gut an. „Das Urteil enttäuscht mich persönlich und enttäuscht uns als SPD Kreisverband Heidelberg“, sagte der Vize-Chef der SPD in der Stadt, Tim Tugendhat, am Montag. Sein Verband gehörte zu denjenigen, die Schröders Ausschluss vorantrieben. Man behalte sich vor, in Berufung zu gehen, sagte er. Im Laufe des Dienstags würden alle Gliederungen gemeinsam beschließen, ob noch Rechtsmittel eingelegt werden.

Darum wurde Sarrazin ausgeschlossen

Sarrazin war im Jahr 2020 aus der SPD ausgeschlossen worden, seinen Widerstand dagegen gab er wenig später auf. Auslöser waren mehrere von Sarrazins Büchern, darunter das 2018 erschienene „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“. Sarrazin selbst fand, er habe wissenschaftliche Sachbücher geschrieben. Die SPD-Spitze dagegen argumentierte, mit seinen antimuslimischen Thesen habe Sarrazin gegen die Grundsätze der Partei verstoßen und ihr Schaden zugefügt.

Für Sarrazin steht dem „Bild“-Bericht zufolge fest, „dass in meinem Fall und im Fall Gerhard Schröders die Entscheidung nicht ohne Abstimmung mit Parteivorstand und Parteivorsitz zustande gekommen ist“.