Die Digitalisierung löst gerade bei weniger gut qualifizierten Arbeitnehmern die Sorge aus, den Job zu verlie- ren. Die SPD rügt, dass diese Menschen von der Landesregierung vernachlässigt werden und fordert mehr Geld für die berufliche Weiterbildung.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Dass die SPD in Baden-Württemberg und im Bund nicht mehr Teil der Regierung ist, könnte sich auf einem Feld besonders deutlich auswirken: im Bereich der Arbeit. Nun drohen Rückabwicklungen wie beim Bildungszeitgesetz durch Grün-Schwarz im Land oder Lockerungen der Schutzrechte wie bei der Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes durch die Jamaika-sondierer. Zudem dürften Gesetzesinitiativen wie das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, mit dem die SPD im Frühjahr am Kanzleramt abprallte, bei der neuen Bundesregierung keine Chance haben. Abgesehen von „zwei, drei Placebos für die Grünen“ werde Jamaika für die Arbeitnehmer ein schlechtes Bündnis sein, prophezeit SPD-Fraktionschef Andreas Stoch.

 

Auch bei der Landesregierung – speziell bei der CDU-Wirtschaftsministerin – sieht die SPD „keine hinreichende Aufmerksamkeit“ für Arbeitnehmerthemen. Bei ihrer Digitalisierungsstrategie sei sie in der Frage, wie die Beschäftigten mitgenommen werden können, „über Allgemeinplätze nicht hinausgekommen“. Und in der Debatte um die Zukunft des Verbrennungsmotors hätten Arbeitnehmervertreter bei den diversen Autogipfeln und Foren „höchstens einen Platz am Katzentisch“.

Angst vor Arbeitswelt der Zukunft

In einem Positionspapier fordert die Fraktion eine Qualifizierungsoffensive mit einem Weiterbildungsfonds in Höhe von mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr. Davon sollen vor allem Geringqualifizierte profitieren. Dort macht die SPD besonders große Ängste vor den Folgen technischer Veränderungen aus. Und gerade bei kleinen und mittelständischen Betrieben sieht sie Fortbildungsbedarf. Sie sollen ihre Programme zur Hälfte aus dem Fonds finanzieren können.

„Wir müssen die Beschäftigungsfähigkeit erhöhen, um die Digitalisierung besser zu meistern“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher, Boris Weirauch. Deren Dynamik sei so groß, dass es einer Komplementärfinanzierung von Weiterbildung neben den Maßnahmen der Betriebe bedürfe. Die von der Landesregierung dafür veranschlagten 250 000 Euro seien „gelinde gesagt ein Witz“, rügt Stoch. Die Regierung versuche zwar auch, über die Industrie- und Handelskammern Einfluss zu nehmen, doch gebe es ein großes Problem beim Weiterbildungsangebot. Bei den Beratungen des Landeshaushalts 2017 ist der SPD-Vorstoß freilich schon einmal an Grün-Schwarz gescheitert.

Wird das Bildungszeitgesetz gestutzt?

Das Bildungszeitgesetz, das nun ein Jahr lang evaluiert wird, sieht der Fraktionschef bereits um alles gestutzt, was nicht direkt der betrieblichen Weiterbildung dient. Bisher erlaubt es den Arbeitnehmern im Land, sich bis zu fünf Tage im Jahr auch für politische Weiterbildung freistellen zu lassen. Die Wirtschaft verlangt eine Revision.

Die Digitalisierung dürfe nicht als Vorwand dienen, Arbeitnehmerrechte auszuhöhlen, mahnt die Fraktion. Der Gewerkschaftsbund sekundiert: Die SPD greife „eine dringend notwendige Debatte auf, die eigentlich durch die Landesregierung gelenkt werden müsste“. Man darf in diesem Fall von einer engen Absprache ausgehen.

Rückendeckung für Martin Schulz

Das Positionspapier hängt auch eng zusammen mit Stochs selbstkritischer Analyse der Wahlniederlage: Demnach hat es die SPD nicht geschafft, Aussagen mit Wiedererkennungswert zu vielen unterschiedlichen Themen zu entwickeln. Und es sei nicht gelungen, die Botschaften auf die Lebenswirklichkeit der Menschen herunterzubrechen. Stoch stärkt Parteichef Martin Schulz aber den Rücken: „Trotz des schlechten Wahlergebnisses sollte es keine Abkehr geben.“