Der zweite Berliner „Tatort“ fesselt weniger durch den Fall. Eher sorgen die Ermittlerfiguren dafür, dass man sich den Krimi am Sonntagabend bis zum Ende anschaut.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Wie sieht ein in Schwefelsäure halbaufgelöster Mensch aus? In der Pathologie geht die Kamera ganz nah ran an die Glibbermasse. Unschön, was die zweite Folge des neuen Berliner „Tatorts“ da präsentiert. Vor allem: Was soll dieses Gruseln?

 

Darüber hinaus führt „Ätzend“ vor, wie die Ermittler Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) aufgrund von zwei Leichenfunden das Leben einer illegal in Berlin lebenden iranischen Familie aus den Angeln heben, wie Rubin ihr privates Chaos pflegt und Karow in dem ungelösten Rätsel herumstochert, das ihm die Ermordung seines früheren Kollegen Gregor Maihack aufgibt. Immerhin: dass er am Ende selbst vom noch unbekannten Verräter in den eigenen Reihen als Täter hingestellt wird, ist das, was man einen gelungenen Cliffhanger nennt.

Zuvor aber beschleicht einen das Gefühl, dass der Aufbruchswille, der noch die Auftaktfolge kennzeichnete, schwächelt. „Das Muli“ war eine schnelle, ästhetisch ausgefeilte, eigenwillige Großstadt-Erzählung. „Ätzend“ ist zwar immer noch rasanter als andere Sonntagskrimis, bleibt aber gefährlich häufig in den Routine-Schleifen des TV-Krimis hängen. Wenigstens wird weiter auf die üblichen Sozial-Problem-Analysen verzichtet, was sich beim Thema Illegale anbieten würde. Stephan Wagner, Mark Monheim (Buch) und Dror Zahavi (Regie) nutzen es als Hintergrund, vor dem die horizontale Erzählung vorwärtsgetrieben wird. Und das ist das, was fesselt: der Antagonismus von Rubin und Karow, der langsam in etwas anderes hinübergleitet. Vor allem fasziniert, wie die Figur Karow nach und nach aus dem Granitblock gemeißelt wird. Das Bild, wie er nach einem One-Night-Stand mit einem unbekannten Lover (!) rauchend auf dem Balkon überm Kottbusser Tor steht, bleibt hängen.