Marco Goecke, der Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts, ist der Choreograf des Jahres. So haben die Kritiker des Magazines „Tanz“ in ihrer Saisonbilanz entschieden.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Lob und Ehr für Marco Goecke: laut Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „Tanz“ ist der 43-jährige Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts der „Choreograf des Jahres“. „Er hat das, was einen Tanzkünstler einzigartig macht“, heißt es in einer Kritiker-Begründung. „Er hat eine unverwechselbare Signatur. Sie kennzeichnet seine surreal vibrierenden Wunderwerke – der Zeit, des Raums, des Körpers.“

 

Eines dieser „surreal vibrierenden Wunderwerke“ war in der jüngsten Saison tatsächlich am Stuttgarter Staatstheater zu bewundern: „Le Chant du Rossignol“, Goeckes Beitrag zum Ballettabend „Strawinsky heute“. Ansonsten ist der ebenso sympathische wie eher introvertierte Wuppertaler inzwischen mehr aus- als inhäusig beschäftigt: mit Uraufführungen beim Ballett am Rhein und beim Nederlands Dans Theater, in München und Berlin. Auch in der kommenden Spielzeit steuert Goecke bei seiner eigenen Kompanie nur einen Teil zu einem gemischten Ballettabend bei (Premiere ist am 29. Januar), während sein nächstes großes Handlungsballett namens „Nijinsky“ im Sommer 2016 bei den Kollegen von Gauthier Dance im Theaterhaus uraufgeführt wird – immerhin für das Stuttgarter Publikum mühelos erreichbar.

Kompanie des Jahres ist das Ballett am Rhein

Trotz dieser starken Präsenz auswärts kann aber kein Zweifel bestehen, dass das Kritikervotum auch eine Anerkennung für den Stuttgarter Ballettchef Reid Anderson bedeutet. Bereits vor zehn Jahren hat der Kanadier das Potenzial der höchst eigenwilligen Tanzsprache Goeckes erkannt und ihm am Eckensee eine künstlerische Heimat verschafft, als andere (auch Kritiker) über das surreale Flirren und Vibrieren beispielsweise seiner Version des „Nussknackers“ noch ratlos die Stirn runzelten.

Fünfzig Kritiker sind alljährlich bei der „Tanz“-Umfrage beteiligt und sollen dabei die ganze Welt im Blick haben. Da die Profi-Geschmäcker gerade bei dieser darstellenden Kunstform sehr weit auseinandergehen, reichten fünf gleichlautende Voten aus, um Goecke zu küren. Ein Abo in der Abteilung „Kompanie des Jahres“ erlangt peu à peu Martin Schläpfer mit seinem „Ballett am Rhein“ in Düsseldorf; wie im Vorjahr liegt er auf Platz eins. Produktion des Jahres wurde „bit“, ein Stück von Maguy Marin aus Toulouse. Zum Tänzer des Jahres wählten die Kritiker den Bolschoi-Star Vladislav Lantratov, der für seine Technik und Eleganz gelobt wird, zur Tänzerin die Rumänin Alina Cojocaru, zuletzt präsent in John Neumeiers „Peer Gynt“ in Hamburg. Aber auch in diesen Kategorien reichten wie stets schon wenige Mehrfachnennungen aus, um zu Titelehren zu gelangen.

In den nächsten Wochen folgen die Kritikerbilanzen der Magazine „Theater heute“ (Schauspiel) und „Opernwelt“ .