Ein Dokudrama des ZDF schildert die Nacht, in der Angela Merkel zur Flüchtlingskanzlerin wurde: 4. September 2015, „Stunden der Entscheidung“. Doch die Wirklichkeit war noch etwas komplizierter, meint der StZ-Autor Armin Käfer, damals Korrespondent in Berlin.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

StuttgartAngela Merkel wurde nicht über Nacht zur Mutter Teresa der Flüchtlinge. Da erweckt das Dokudrama „Stunden der Entscheidung“, das an diesem Mittwoch im ZDF zu sehen war, einen falschen Eindruck. Es spiegelt die Ereignisse am 4. September 2015, als die Bundeskanzlerin am späten Abend entschied, tausende Flüchtlinge, die in Ungarn zu einem „Marsch der Hoffnung“ („March of Hope“) aufgebrochen waren, nach Deutschland einreisen zu lassen. Danach war für Merkel, für ihre Partei und für das ganze Land nichts mehr wie zuvor. In der öffentlichen Wahrnehmung und für ihre Kritiker, die rasch zahlreicher und auch im eigenen Lager unerbittlich wurden, hatte sie an jenem Abend die „Grenzen geöffnet“. Es war die heikelste Phase ihrer Kanzlerschaft, der Anfang vom Ende der Ära Merkel. Aber der Wandel nahm schon ein bisschen mehr Zeit in Anspruch als ein paar „Stunden der Entscheidung“. -