Mit heißblütigen Fußball-Fans lässt sich das Hooligan-Problem des kroatischen Fußball-Verbandes längst nicht erklären.

Paris/Zagreb - Zdravko Mamic saß gemütlich in der VIP-Lounge, als im Block gegenüber das Chaos losbrach. Der 56-Jährige ist Kroate durch und durch, ein angesichts fremdenfeindlicher Äußerungen in der Vergangenheit (zu) stolzer Kroate, der seit vielen Jahren den Fußball in seinem Heimatland beherrscht. Und als am Freitag in der EM-Partie gegen Tschechien ein kleine Gruppe Randalierer den Spielabbruch provozieren wollte, und Mamic zusah, könnte der Geschäftsmann, wahrscheinlich lächelnd, gedacht haben: Alles wegen mir!

 

Die Hooligan-Probleme des kroatischen Verbandes HNS, die am Freitagabend im Spiel gegen Tschechien in Saint-Etienne wieder einmal überdeutlich wurden, sind längst nicht mehr nur mit den Emotionen der heißblütigen Anhänger der Feurigen zu erklären. Natürlich geht es oft, zum Beispiel beim „Vjecni Derbi“, beim „ewigen Derby“ zwischen den Großklubs Dinamo Zagreb und Hajduk Split, um Hass und Abneigung - gerade bei den Länderspielen sind die Ausschreitungen aber fast schon ein Protest. Gegen Mamic, der im vergangenen Jahr mal ins Gefängnis musste. Der Ex-Boss von Dinamo, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Machtmissbrauch und Steuervergehen ermittelt, gehört zu den undurchsichtigsten Gestalten im europäischen Fußball. Die Ultra-Vereinigung von Dinamo, die „Bad Blue Boys“, werfen dem Bruder des Zagreb-Trainers Zoran Mamic (Ex-Bundesliga-Profi des VfL Bochum und von Bayer Leverkusen) vor, den Klub wie seinen Privatverein geführt und dabei immer mehrere Millionen in die eigene Tasche abgezweigt zu haben.

Hooligans amüsiert über die verhängten Strafen

Top-Transfers wie von Niko Kranjcar, Vedran Corluka oder Real-Star Luka Modric liefen nur über Zdravko Mamic. Dass das kroatische Idol Davor Suker seit 2012 der Chef des kroatischen Verbandes ist, spielt für viele keine Rolle. Der „Schattenpräsident“ bleibt für sie Zdravko Mamic, Suker sei nur die Marionette. Die oft zu hörenden Sprechchöre „HNS pederi, nogomet ste sjebali“ können frei mit „HNS A*******, ihr habt den Fußball vernichtet“ übersetzt werden. Die Krawalle der eigenen Fans haben den Verband in den vergangenen zehn Jahren knapp eine Million Euro an Strafzahlungen gekostet. In der Qualifikation für die EM in Frankreich musste die Nationalmannschaft zweimal vor leeren Rängen spielen, auch im kommenden Herbst müssen zwei Partien in der WM-Qualifikation für Russland 2018 ohne Zuschauer ausgetragen werden. Geholfen haben die Sanktionen bislang nichts.

Zu den „gewöhnlichen“ Vergehen wie das Abbrennen von Pyrotechnik kommen immer wieder hässliche Zwischenfälle wie im Juni 2015, als kroatische Fans den Rasen im Poljud-Stadion in Split vor dem EM-Quali-Spiel gegen Italien so mit Chemikalien behandelten, dass sich ein viele Meter großes Hakenkreuz abzeichnete. Auch in der heimischen Liga werden immer wieder teils drastische Strafen ausgesprochen. Die Hooligans scheinen sich darüber aber genauso zu amüsieren wie über den Staat, der die Probleme nicht unter Kontrolle bekommt. Zwar werden immer wieder Schläger festgenommen und angeklagt – zu einer Haftstrafe kommt es aber in den seltensten Fällen.