Hat ein baden-württembergischer Verfassungsschützer geheime Informationen an den Ku-Klux-Klan weitergegeben? Diese Frage kann bis heute nicht geklärt werden. Eines ist klar: Es ist damals nicht alles richtig gelaufen im Verfassungsschutz.

Stuttgart - Innenminister Reinhold Gall hat Konsequenzen aus dem mutmaßlichen Geheimnisverrat eines Verfassungsschützers an ein Mitglied des Ku-Klux-Klans (KKK) angekündigt. Künftig müssten der Minister und auch die parlamentarischen Kontrollgremien über solche Verdachtsfälle informiert werden, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag. Ein Verfassungsschützer soll vor etwa zehn Jahren ein Dienstgeheimnis an ein Führungsmitglied des rassistischen Geheimbunds in Schwäbisch Hall verraten haben - nämlich, dass dessen Telefon vom Nachrichtendienst abgehört wird. Nach dem am Donnerstag vorgelegten Untersuchungsbericht handelt es sich dabei aber um einen Einzelfall.

 

Unterdessen verdichteten sich Hinweise, wonach der KKK-Mann vor seiner Zeit beim Ku-Klux-Klan als V-Mann für den Verfassungsschutz Baden-Württemberg gearbeitet hat. Informierte Kreise berichteten, der Mann sei als Informant in der rechtsextremen Szene unterwegs gewesen, bevor er im Herbst 2000 wegen seiner KKK-Aktivitäten „abgeschaltet“ worden sei. Gall machte am Donnerstag weiterhin keine Angaben zu dem Thema. Dazu könne er sich nicht öffentlich äußern, sagte er. Auf die Frage, ob man diesen Sachverhalt mittlerweile intern geklärt habe, sagte er „Ja“.

Der beschuldigte Beamte war 2002 wegen der Vorgänge in eine andere Landesbehörde versetzt worden. „Das war in der Sache vertretbar“, sagte Gall. Jedoch wurde der Sachverhalt nicht aufgeklärt. Strafrechtliche oder disziplinarrechtliche Maßnahmen gab es damals nicht. Gall kritisierte, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Vorgang damals für erledigt betrachtet worden sei. Spätestens vor dem Eintreten von strafrechtlichen Verjährungsfristen hätten die Vorwürfe und mögliche Konsequenzen noch einmal geprüft werden müssen. „Das werden wir und das muss entsprechend geändert werden“, kündigte er für künftige Fälle an. Ob das damals CDU-geführte Innenministerium über die Sache im Bilde war, ist laut Gall ebenfalls noch offen.

Strafrechtlich sind die Vorgänge verjährt

Der betroffene Beamte ließ sich 2006 auf eigenen Wunsch hin beurlauben und will nun zurück in den Staatsdienst, weshalb das Thema nun überhaupt bekannt wurde. Derzeit läuft ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel, den Mann aus dem Dienst zu entfernen. Lassen sich die Vorwürfe nicht erhärten, muss er in den Landesdienst zurückgenommen werden. Strafrechtlich seien die Vorgänge mittlerweile verjährt, sagte der Ministerialdirektor im Innenministerium, Herbert Zinell. Nach seinen Angaben gibt es bis heute keinen sicheren Beweis dafür, dass der Mann Geheimnisverrat begangen hat. Der beschuldigte Beamte habe sich nach wie vor nicht zu den Vorwürfen geäußert. Auch über seine möglichen Motive für einen Geheimnisverrat ist nichts bekannt.

Weder Gall noch Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube sahen am Donnerstag grundlegende Defizite beim Verfassungsschutz. Allerdings gebe es einen massiven Vertrauensverlust in die Geheimdienste generell, sagte Gall. „Wir müssen darüber nachdenken, ob eine andere Organisationsstruktur Sinn macht.“ Die Debatte war nach dem Bekanntwerden der Pannen rund um die Neonazi-Mordserie mit zehn Todesopfern in Deutschland aufgeflammt. In Baden-Württemberg müsse auf jeden Fall die parlamentarische Kontrolle verbessert werden. Das Bundesland sei hier schlechter aufgestellt als andere, so Gall.

Der Grünen-Innenexperte Ulrich Sckerl sagte: „Es besteht weiterhin großer Aufklärungsbedarf. Viele unserer Fragen sind noch nicht beantwortet worden.“ Es bleibe völlig unverständlich, warum es von Juni 2011 an 14 Monate gedauert habe, bis der Verfassungsschutz den Vorgang schließlich dem Innenministerium gemeldet wurde. Gall erklärte hingegen, die Amtsspitze des Verfassungsschutzes habe den Vorgang bis zum Beginn der öffentlichen Debatte über den Ku-Klux-Klan im August verständlicherweise nicht als brisant behandelt.

Hinweise auf Verbindungen zur rechtsextremen NSU

Auch der Neonazi-Untersuchungsausschuss im Bundestag will eigene Nachforschungen zur Ku-Klux-Klan-Affäre in Baden-Württemberg anstellen. Das Gremium beschloss am Donnerstag bei einer Sitzung in Berlin, dazu Akten anzufordern. Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sagte, die Landesregierung habe zwar Aufklärung versprochen. Mögliche Bezüge zwischen dem rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan und der rechtsextremen Terrorzelle NSU müsse der Ausschuss aber selbst aufarbeiten. Hinweise auf solche Verbindungen gebe es.

Zu den mindestens zehn Todesopfern der Rechtsterroristen gehört auch die Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn, deren Gruppenführer für kurze Zeit Mitglied beim Ku-Klux-Klan war. Die Bundesanwaltschaft hatte aber erklärt, es gebe keine Hinweise, dass neben den Terroristen andere an dem Mord beteiligt gewesen seien.