Viele koloniale Bilder haben sich in unsere Köpfe eingebrannt. Der Fotograf Kudzanai Chiurai aus Simbabwe bringt sie mit inszenierten Aufnahmen in der Stuttgarter Ifa-Galerie kräftig durcheinander.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Manchmal genügt ein Wort, damit es im Kopf „klick“ macht und man plötzlich begreift, wie eng der eigene Horizont ist. Metergroß hängt in der Ifa-Galerie ein altes Schwarz-Weiß-Foto einiger Zulu-Frauen, die um einen Topf sitzen. „Dinner Party“ steht darunter, mehr nicht – und was wie ein ironischer Kommentar anmutet, macht den Blick der Europäer auf die Afrikaner bewusst und erzählt auch von der Arroganz jener, die sich für zivilisiert hielten und anderen Völkern Kultur, selbstverständlich die eigene, beibringen wollten.

 

Es wird derzeit viel über Kolonialismus gesprochen, weil die kulturhistorischen Museen sich inzwischen bewusst sind, wie viel Blut an ihren Beständen klebt, die zu großen Teilen in den Kolonien erbeutet wurden. Die neue Ausstellung in der Ifa-Galerie befasst sich mit dem Thema Kolonialismus nun aus der anderen Perspektive und zeigt inszenierte Fotografien von Kudzanai Chiurai. Der 38-Jährige aus Simbabwe stellt die Welt auf den Kopf und kombiniert auf riesigen Formaten Gegenwart und Vergangenheit, Schwarz und Weiß, Afrika und Europa. Wie eingefroren wirken die Figuren auf seinen Tableaus, die Szenen scheinen erstarrt zu sein – und erzählen doch von Weltgeschichte. Da sitzt eine Zulu-Herrscherin beim Tee mit einem europäischen Forschungsreisenden, rührt im Porzellantässchen und lauscht dem Vortrag des weißen Mannes. Dann wieder steht ein wohlhabender Europäer selbstbewusst im Zentrum des Bildes, während links und rechts schwarze Minenarbeiter knien.

Aufklärerische Irritationen gehören mit dem Ausstellungskonzept

Kudzanai Chiurai spielt mit der Kunstgeschichte und mit Symbolen. Immer wieder taucht das Porträt von David Livingstone auf, einem schottischen Missionar, der die Victoriafälle entdeckte und einer der zentralen Forschungsreisenden in Afrika war, der der Kolonialisierung den Weg ebnete. Dann wieder praktiziert Kudzanai Chiurai den Rollentausch, ersetzt die Akteure tradierter Bildmotive und stellt vor einen christlichen Alter keinen weißen Priester, sondern eine schwarze Priesterin, die den Mann auf Knien segnet.

Diese aufklärerischen Irritationen sind sorgfältig inszeniert und kommen doch beiläufig daher. Von Narrativen wird heute gern gesprochen, von Erzählungen, die über Generationen weitergetragen werden. Dieses Weitertragen tradierter Bilder unterbricht Kudzanai Chiurai bewusst. Wenn bei ihm Europäisches und Afrikanisches, Mann und Frau, Herrscher und Diener aufeinanderprallen, so geht es weniger um laute Kritik als darum, bewusst zu machen, wie kollektive Bilder das eigene Denken prägen.

Aber Chiurai versteht sich nicht nur als Künstler, sondern auch als Aktivist. In seiner Serie „The black President“ (2009) stellte er das Kabinett des seinerzeit amtierenden Ministerpräsidenten Robert Mugabe auf seine Weise dar. Bei ihm trägt der Finanzminister einen dicken Pelzmantel und schaut aus wie ein Bordellbesitzer, der Verteidigungsminister ist schwer bewaffnet, der Kulturminister ein Gangsta-Rapper. Die Kritik an der Regierung Mugabes war offenkundig – und bescherte dem Künstler seinerzeit ein Wiedereinreiseverbot in die Heimat.

Bis 23. März. Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr