Die Landesregierung bekräftigt: verfassungsrechtliche Bedenken seien unbegründet, wenn man Finanzzusagen zu Stuttgart 21 kündigen wolle.

Stuttgart - Das Kündigungsgesetz hat nur zwei Paragrafen. "Die Landesregierung ist verpflichtet, Kündigungsrechte bei den vertraglichen Vereinbarungen mit finanziellen Verpflichtungen des Landes Baden-Württemberg für das Bahnprojekt Stuttgart 21 auszuüben." Das war's. Der zweite Paragraf regelt das Inkrafttreten.

 

Dennoch hat der Gesetzentwurf 18 Seiten. In der Begründung wird erklärt, warum das Land seine vertragliche Zusage aufkündigen soll, rund 800 Millionen Euro für den Tiefbahnhof zuzuschießen. Zum Teil wegen der veränderten politischen Landschaft. Die Großdemonstrationen hätten den Protest gegen das Projekt verdeutlicht. Länger geht es über "verkehrliche Gründe", wie es heißt. "Das Projekt Stuttgart 21 ist zu beenden, da sich einerseits die verkehrlichen Effekte wesentlich ungünstiger darstellen, andererseits die Kosten und Risiken unkalkulierbar sind", wird erklärt.

"Wenn Sie die Begründung lesen, dann verstehen Sie, warum die Sozialdemokraten den Gesetzentwurf abgelehnt haben", hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) den Journalisten empfohlen, die noch an der Tatsache knabberten, dass die SPD-Kollegen im Ministerrat den Entwurf abgeschmettert hatten. Bis auf Rainer Stickelberger. Der Lörracher Sozialdemokrat gilt nicht als Freund des geplanten Tiefbahnhofs. Zudem ist er Justizminister und kann kaum seinen eigenen Gesetzentwurf ablehnen.

Was würde ein Ausstieg kosten?

Tatsächlich findet sich im Begründungstext viel zu Fahrzeiten und Leistungsfähigkeit des Bahnknotens, was die SPD völlig anders sieht. Die Regierung führt auch aus, es bestehe "eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die im Finanzierungsvertrag vorgesehene Kostenobergrenze von 4,526 Milliarden Euro nicht gehalten werden kann". Auch das sei ein Grund, von der Investition Abstand zu nehmen.

Auf Seite 15 wird die Frage aufgegriffen, wie viel der Ausstieg aus dem Projekt das Land kosten würde, etwa wenn die Bahn Schadenersatzansprüche geltend macht. Beantwortet wird die Frage nicht. Vielmehr werden einige Zahlen aufgelistet, die in der langen Debatte bisher gefallen sind. So die 1,522 Milliarden Euro, die von der Bahn ins Spiel gebracht wurden. Dazu die Maßgaben der drei während der Schlichtung zu Wort gekommenen unabhängigen Wirtschaftsprüfer. Deren niedrigstes Gebot liegt bei 450 Millionen Euro.

Das müsse man gutachterlich ganz genau prüfen, sagte Hermann. Wahrscheinlich sogar gerichtlich. Man habe sich ausdrücklich nicht eine der vorgegebenen Meinungen zu eigen machen wollen, erklärte der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): "Das wäre nicht klug." Aber natürlich sollen die Ausstiegskosten "möglichst gering sein".

Klage gegen das Kündigungsgesetz

Weil man mit dem S-21-Kündigungsgesetz verfassungsrechtliches Neuland betrete, habe man mögliche Risiken geprüft. "Wir sind davon überzeugt, dass der vorliegende Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist", sagte Stickelberger. Dabei habe man die "mehrfach geäußerten" Bedenken der Opposition "zur Kenntnis genommen".

Die schob CDU-Frakionschef Peter Hauk noch mal nach: Das Land sei an geschlossene Verträge gebunden; es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die Landesregierung daran rüttle. "Ich bezweifle, dass eine Kündigung bei einem Vertrag möglich ist, der gar keine Kündigungsklausel enthält", sagte Hauk. Den gleichen Punkt spießte auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke auf. Er bezweifelt darüber hinaus, dass sich bei Stuttgart 21 die Mehrheitsverhältnisse im Landtag geändert hätten. "FDP, CDU und SPD sind dafür, nur die Grünen sind dagegen."

Hauk monierte weiter, dass die Anhörungsfrist von sechs auf vier Wochen verkürzt und in die Urlaubszeit gelegt worden sei. So bleibe auch der Union weniger Zeit, externe Gutachter prüfen zu lassen. Das will die CDU tun, bevor sie eine Klage gegen das Kündigungsgesetz beim Staatsgerichtshof in Erwägung zieht.

Der Weg zur Volksabstimmung

Volksabstimmung: Lehnt der Landtag einen Gesetzentwurf der Regierung ab, kann ein Drittel der Abgeordneten beantragen, dass das Volk darüber abstimmt. Genau so plant es Grün-Rot. Abgestimmt wird über den Gesetzestext.

Kosten: Zu den Kosten einer Volksabstimmung gab es keine exakte Auskunft. Es sind wohl weniger als zehn Millionen Euro.