Letzte Chance für die Schlecker-Mitarbeiter? Ein dichtes Betreuungsnetz soll die von der Kündigung bedrohten Angestellten auffangen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Wendlingen - Noch ist gar nicht sicher, ob die 11 000 von der Kündigung bedrohten Schlecker-Mitarbeiter in einer Transfergesellschaft aufgefangen werden. Doch sie sind bereits in vielen Städten des Bundesgebiets über ihren möglichen Verbleib aufgeklärt worden. Verdi, die Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Insolvenzverwalter haben in kürzester Zeit bundesweit etwa 15 Betreuungsregionen eingerichtet. Dies soll eine dezentrale Bearbeitung gewährleisten – in keiner Region werden mehr als 700 Mitarbeiter betreut.

 

Als Träger der Transfergesellschaft wurden rund zehn Personaldienstleister ausgewählt, deren vornehmliche Aufgabe es nun ist, die Beschäftigten weiterzuvermitteln. Größere Träger sollen in mehr als einer Region zum Zug kommen. In Baden-Württemberg würde die Peag Transfer GmbH mit Sitz in Dortmund den westlichen Landesteil und die Quali Plus Transfergesellschaft aus Wendlingen den östlichen Part übernehmen. In wenigen Fällen wurden Dienstleister aus dem gewerkschaftlichen Spektrum beteiligt – zum Beispiel die Firma Weitblick in Nordrhein-Westfalen, ein Ableger des DGB.

Ein Pflichtenheft steckt die Rahmenbedingungen für die Träger ab – und wenn es Probleme gibt, fungiert in jeder Region ein Kontrollgremium als Aufsichtsinstanz. Die vielfach vorgetragene Kritik an der geplanten Schlecker-Lösung, wonach die Bundesagentur für Arbeit in der Vermittlung Ähnliches leisten könne wie eine Transfergesellschaft, nur eben viel billiger, lässt Verdi nicht gelten. „Wir gehen davon aus, dass wir eine individuellere Betreuung sicherstellen können“, sagt der Verhandlungsführer im Fall Schlecker, Bernhard Franke. Eine Transfergesellschaft könne gezielt auf die Unternehmen in ihrer Region zugehen und wenn möglich kontingentweise vermitteln. Der Gewerkschafter bemängelt zudem, dass die BA gewöhnlich „bedenkenlos“ und „ohne politische Skrupel“ in Zeitarbeit vermittle. Diese dürfe hier „nur die allerletzte Möglichkeit“ sein. Deshalb hat die Gewerkschaft auch Trägergesellschaften abgelehnt, die eng mit Leiharbeitsfirmen verbunden sind.

Wünsche werden notiert

Auf den Informationsveranstaltungen erhielten die Schlecker-Beschäftigten weitere Termine für das sogenannte Profiling. Dabei erfassen die Träger die Qualifizierungsbedarfe und Vermittlungswünsche der Betroffenen. Die Transfergesellschaft solle „keine Aufbewahrungsanstalt“ sein, wo Mitarbeiter ein halbes Jahr mit 80 Prozent des letzten Nettogehalts absitzen und dann in die Arbeitslosigkeit übergehen, sagt Franke. Um die Mitarbeiter zur Veränderung zu motivieren, wurden im Tarifvertrag „Sprinterprämien“ vereinbart. Das bedeutet: Wer in den ersten zwei Monaten das Auffangbecken verlässt und einen neuen Job antritt, erhält pauschal 1000 Euro.

Der Träger wiederum bekommt pro Auftrag 125 Euro je Kunde für den Verwaltungsaufwand plus 1500 Euro für Coaching und Qualifizierung. Das Profiling schlägt noch mal mit 300 Euro zu Buche.

Bisher wurden Transfergesellschaften eher bei der Abwicklung industrieller Standorte eingeschaltet. Bekannte Beispiele sind Siemens/Ben-Q, Opel, Infineon oder Qimonda. Im Handel gibt es kein Vorbild für den Fall Schlecker. Einzigartig ist in jedem Fall die komplizierte Firmenstruktur mit bisher 5400 weit verstreuten Filialen. „Es gibt keinen Anbieter, der in der Lage wäre, so etwas zu stemmen“, so Franke.