Der Hilferuf eines Freundes brachte Petra Gerhardt zu ihrer jetzigen großen Leidenschaft. Seit mehr als 33 Jahren fertigt die frühere Leistungssportlerin aus Korntal-Münchingen Skulpturen. Eine Art von Objekten hat es der 60-Jährigen besonders angetan.

Korntal-Münchingen - Zum Beispiel die ehemalige Drei-Zimmer-Wohnung. Über das Wochenende war Petra Gerhardts Mann nicht da – und die Künstlerin aus dem Stadtteil Korntal von Korntal-Münchingen nutzte die Gunst der Stunde und räumte das Zuhause um. Wieder einmal. „Ich habe zwei Zimmer getauscht“, erinnert sich Petra Gerhardt und lacht, „und als mein Mann zurückkam, dachte er, dass er in der falschen Wohnung sei“. War ihr Partner damals irritiert, so erzählt er die Anekdote heute belustigt.

 

Umräumen, umdekorieren – Petra Gerhardt hat dies schon immer geliebt. Früher habe sie regelmäßig eine Unruhe verspürt, sagt sie. Vielleicht wie ein Drang, die Räume in den heimischen vier Wänden immer und immer wieder umzugestalten. „Inzwischen bin ich ruhiger geworden“, sagt die 60-Jährige und lacht. Sie hat etwas gefunden, das sie seit mehr als drei Jahrzehnten fesselt, das ihr Spaß macht, sie entspannt, sie kreativ sein lässt: Skulpturen tonen.

Die Oma aus Leipzig schenkte Ölfarben

Was sie daran fasziniere? Das Material könne sie mit den Händen formen. Auch sei es immer spannend zu sehen, was daraus entsteht. Künstlerisch tätig ist Petra Gerhardt seit dem zwölften Lebensjahr, mit Ölbildern fing sie an. „Meine Oma aus Leipzig wollte mir unbedingt eine Freude machen, also sagte ich ihr, sie solle mir Ölfarben schenken“, berichtet Petra Gerhardt.

Frauenkörper haben es ihr besonders angetan. „Sie sind einfach schön, ob sie nun dick oder dünn sind, in Bewegung oder nicht“, sagt die gelernte Industriekauffrau. Vor zwei Jahren habe ein Besucher sie gefragt, warum sie keine Männer forme, „seitdem tone ich hin und wieder auch Männer“, sagt Petra Gerhardt und lacht wieder. Auch Tiere und Fabelwesen entstehen. Ihre momentanen Lieblingsstücke seien zwei Echsen. Sie heißen Lanzelot und Lanzelot junior.

Die Schalen gehören der Vergangenheit an

Ihre jetzige Bestimmung, wie Petra Gerhardt das Töpfern nennt, verdankt sie dem Hilferuf eines Freundes. Er machte im Jugendhaus Korntal seinen Zivildienst und sollte mit den jungen Besuchern tonen. „Da ich viel Erfahrung mit Kindern hatte, bat er mich, ihn zu unterstützen“, erzählt Petra Gerhardt. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für das flexible Material. Töpferte sie anfänglich Schalen, die auch Kinder so gern formen, legte sie ihren Fokus später auf figürliche Plastik.

Da sich eine Bestimmung nicht einfach ausschalten lässt, sondern einen immer und überall begleitet, und Petra Gerhardt obendrein gern experimentiert, findet sie an vielen Orten Inspirationen und Ideen für neue Werke. Sie bearbeitet den Ton vor dem Brennen mit Asche oder Oxiden, verwendet auch Metall, Hölzer, Steine, Muscheln. „Niemals komme ich ohne Fundstücke aus dem Urlaub zurück“, sagt die Korntalerin, die am liebsten in den Süden reist. Und dort den Sand und das Meer durchforstet. „Ich sehe zum Beispiel in Treibhölzern Gesichter oder Körper, die ich dann in den Ton einarbeite.“

Zwölf Kilo schwere Tonquader mühelos tragen

Die mehr als zwölf Kilo schweren Tonquader schleppt Petra Gerhardt mühelos, war sie doch viele Jahre lang Leistungssportlerin im Geräteturnen. Bei Wettkämpfen habe sie zahlreiche Medaillen abgeräumt, zudem trainierte sie die Mädchenturnriege im TSV Korntal. „Ich war immer klein, sehr gelenkig und furchtlos“, sagt die quirlige, knapp 1,60 Meter große Frau – den Flickflack mache sie heute noch. Gleichwohl trägt sie mittlerweile je Gang nur noch einen Tonquader ins Arbeitszimmer, und nicht mehr wie einst zwei Stück pro Hand. „Mein Atelier ist im ersten Stock“, sagt Petra Gerhardt.

Bei Vernissagen stehen die Besucher Schlange

Als Künstlerin hat sich die 60-Jährige über Korntal hinaus etabliert. Bei ihren Vernissagen stehen die Leute Schlange, sie verkauft stets etliche Werke, und Kunden rufen sie persönlich an, um ihre Kunst zu erwerben. Darüber hinaus stehen die Skulpturen im Schaufenster des Modegeschäfts Only woman in Korntal, wo Petra Gerhardt arbeitet. „Das bietet mir tolle Möglichkeiten.“ Sie ist froh, dass sie nach Lust und Laune ihr Hobby ausleben kann. „Wenn man eine Leidenschaft zum Beruf macht, flacht sie ab“, ist sie überzeugt.