Die Stadt Ludwigsburg plant mit Hunderten Laien und Profis ein musikalisch-szenisches Großprojekt, das sechste seit 1996. Das Oratorium „Die Jahreszeiten“ von Haydn soll 2018 fünf Mal im Forum aufgeführt werden. Der Aufwand ist enorm, der Anspruch auch.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Verblühet ist dein kurzer Lenz, Erschöpfet deines Sommers Kraft, Schon welkt dein Herbst dem Alter zu, Schon naht der bleiche Winter sich.“ Als Joseph Haydn an der Wende zum 19. Jahrhundert sein Oratorium „Die Jahreszeiten“ schuf, nahm die Natur einen hohen Stellenwert ein. Der Komponist blickte optimistisch auf diese Natur, Naturverbundenheit war für ihn ein hohes Gut, und er stellte den Lauf der Jahreszeiten in unmittelbaren Zusammenhang zu den Lebenszyklen der Menschen. Der Optimismus ist heute verflogen. Natur, das heißt jetzt auch: Klimawandel, Umweltzerstörung, Landflucht.

 

„Es ist die Zeit, die optimistische Grundhaltung zu hinterfragen“, heißt es daher auch im Regiekonzept für „Die Jahreszeiten“, die im kommenden Jahr in Ludwigsburg auf die Bühne gebracht werden, basierend auf Haydns Stück. Der Aufwand für das Großprojekt ist enorm, der Anspruch ist es auch: „Anhand unserer Bearbeitung des Oratoriums wollen wir den Zuschauer aufrütteln, den Planeten Erde als schützenswert und als gefährdet wahrzunehmen“, heißt es im Konzept.

Ein vergleichbares Projekt gibt es im Land nicht – sagt die Stadt

Nach fünf Jahren Pause, nach der „Passion 2013“, arbeiten der Fachbereich Kunst und Kultur und der Stadtverband der Gesang- und Musikvereine wieder an einem großen szenischen Musiktheaterprojekt, das zwischen dem 15. und 25. März 2018 fünf Mal im Forum am Schlosspark aufgeführt werden wird – das damit gleichzeitig runden Geburtstag feiert, denn die Halle wurde 1988 eröffnet. Nach „Carmina Burana“, „Messias“, „Fürsten, Bürger und Soldaten“, „Schöpfung“ und eben „Passion 2013“ wird es die sechste Großproduktion, seit die Reihe 1996 ins Leben gerufen wurde. „Der Projektansatz ist in seiner Struktur und Dimension singulär in Baden-Württemberg und verkörpert mit weit leuchtendem Symbolcharakter die vielen Ludwigsburger Musik-, Gesangs- und Orchestervereine“, heißt es in der Vorlage der Verwaltung, womit sie am Dienstag im Kulturausschuss um einen Zuschuss in Höhe von 140 000 Euro bat.

Erfolgreich, die Stadträte haben die Ausgabe einstimmig genehmigt und das Konzept mit Lob überschüttet. „Kultur kostet Geld, aber das ist es uns wert“, sagte Elke Kreiser von der CDU, die anderen Fraktionen äußerten sich ähnlich. Die Macher rechnen für Honorare, Produktion und Miete mit Kosten von fast 400 000 Euro, mit Tickets sollen 165 000 und über Sponsoren 40 000 Euro eingenommen werden, hinzu kommen weitere kleinere Einnahmeposten.

350 Menschen werden an dem Projekt beteiligt sein

Rund 350 Menschen werden an den Aufführungen beteiligt sein, darunter ein Chor mit 140 Ludwigsburgern, die Kantorei der Karlshöhe, Tanzgruppen, sechs Profitänzer, das Sinfonieorchester Ludwigsburg und drei Vokalsolisten für Sopran, Tenor und Bass. Das bisherige Leitungsteam aus Siegfried Bauer (Musik), Rainer Kittel (Inszenierung) und Heike Huber (Ausstattung) hat sich 2016 zurückgezogen und die Aufgabe in jüngere Hände gegeben, das neue Team besteht aus Angelika Rau-Čulo und Michael Čulo (Musik), Axel Brauch (Regie) und Gesine Pitzer (Bühne und Kostüme). An die Tradition anknüpfen, aber neue Ideen entwickeln – das sei die Aufgabe, so Brauch. Die Fußstapfen sind groß, in der Vergangenheit waren die Aufführungen stets ausverkauft.

Das Regiekonzept ist bereits fein ausgearbeitet. Mit zeitgenössischen Kostümen soll Haydns Werk ins 21. Jahrhundert geholt werden. Das minimalistische Bühnenbild wird sich mittels Objekten und Licht im Lauf der Jahreszeiten wandeln. Tanz und Gesang werden ergänzt durch Geräusche, Wetteransagen, Bilder, etwa von abgeholzten Regenwäldern, oder Interviewfetzen von Menschen, die vom Klimawandel betroffen sind. „Es soll ein szenisches Konzert zur Rettung des Planeten werden, das sich auch aus heutigen popkulturellen Mitteln speist“, schreiben die Macher.

Mehr als 50 Proben sind geplant

Das geht so weit, dass im Kostümbild auf Second-Hand-Mode zurückgegriffen wird, um die „Frage nach Nachhaltigkeit“ zu stellen. Zudem wolle man mit „aktuellen Theatermitteln besonders ein junges Publikum ansprechen“. Neben Haydns Musik treten Improvisationen einer Jazz-Combo, die in „Form eines musikalischen Crossovers haydnische Motive, Rhythmik und Melodik aufnimmt und Neues schafft“.

50 musikalische Proben sind vorgesehen, sie beginnen im September, hinzu kommen szenische Proben. Denkbar ist, dass der städtische Zuschuss noch einmal angehoben werden muss. „Sollte das Interesse und die Beteiligung der Bürger höher sein als bisher geplant“, würde dies eine „höhere Anzahl an Kostümen und ein größer dimensioniertes Bühnenbild erforderlich machen“, erklärt der Fachbereich Kunst und Kultur.